Fiese Bürokrankheiten: Achtung, höchste Ansteckungsgefahr!

Hast du schon mitbekommen, dass die Maul- und Lästerseuche momentan wieder in vielen Büros grassiert und bist du ausreichend immun dagegen? Ziemlich sicher ist dein Arbeitgeber auch bereits mit dem unsäglichen Meetingwahn-Bazillus infiziert, der dich und deine Kollegen in endlose Plauderrunden zwingt. Oder hat auch dich etwa die Veränderungs-Allergie voll erwischt? Diese und andere Bürokrankheiten lauern heute fast überall. Hier sind die sieben am weitesten verbreiteten Erreger und unten erfährst du mein Rezept, wie du dich wirksam schützen kannst.

Diese ansteckenden Bürokrankheiten lauern heute fast überall

1. Workaholic-Gruppenzwang

Die höchste Ansteckungsgefahr geht von deinem an Workaholic erkrankten Chef aus: Er ist lange vor dir im Büro und scheint keinen Wert auf Feierabend zu legen. In seinem Kopf kreisen ständig neue Ideen und er befeuert dich und die Kollegen ununterbrochen mit frischen Aufgaben. Leben, um zu arbeiten scheint sein einziger Antrieb. Eine nicht zu unterschätzende Ansteckungsgefahr geht auch von deinen Kollegen aus, die überemsig um dich herum wuseln und sich zum Ziel gesetzt haben, den Pokal für die meisten Überstunden zu ergattern.

Der gemeine Gruppenzwang ist hier das stressige Problem. Selbst wenn du in deiner normalen Arbeitszeit gut unterwegs bist und alle deine Aufgaben erledigt bekommst, hast du ein schlechtes Gefühl am Abend, die Kollegen oder den Chef sitzen zu lassen. Denn im Vergleich zu ihnen arbeitest du echt wenig! Herrscht bei dir im Unternehmen dazu noch der nicht tot zu bekommende Büropräsenz-Virus, ist die Ansteckungsgefahr besonders hoch.

Der Gruppenzwang entsteht vor allem bei dir selbst im Kopf. Entscheide, ob und warum es gut für dich ist, dich dem Verhalten deines Chefs oder des Teams anzupassen. Überlege dir auch, wie es für sie wäre, wenn du dich anders verhalten und pünktlich Feierabend machen würdest. Würde es ihnen tatsächlich überhaupt auffallen? Würde es dich im Büro weniger beliebt oder zu einem schlechten Mitarbeiter deinem Chef gegenüber machen?

2. Maul- und Lästerseuche

Gemeinsam lästert es sich doch immer noch am schönsten. Über die neue Kollegin, die ins Fettnäpfchen beim Chef getreten ist oder den Nerd aus der IT, der heute wieder eine rote und eine blaue Socke trägt. Wer nicht mitmacht, ist Spielverderber und Langweiler. Die von dieser Bürokrankheit Befallenen wissen, dass sich die Maul- und Lästerseuche besonders leicht über Flurfunkstrahlung verbreitet. Damit sie keine zu weiten Kreise zieht, wird professionell hinter vorgehaltener Hand gelästert.

Fies ist, wenn es die im Fokus Stehenden erfahren. Es gibt Lästermäuler, die es sogar darauf anlegen, dass es die Betroffenen auf jeden Fall mitbekommen. Manche nennen das Mobbing und je mehr dir an der Zugehörigkeit zum Team liegt, umso größer die Gefahr, dass du dich selbst hiervon anstecken lässt.

Achte bewusst darauf und entscheide, mit welchen Kollegen du dich an welchen Lästerrunden beteiligst. Nicht, dass du später der Dumme bist, weil raus kommt, was du gar nicht gesagt hast.

3. Dienst-nach-Vorschrift-Syndrom

Stell dir vor, dein Kollege sitzt dir gegenüber und macht täglich Dienst nach Vorschrift. Der Müller und die Schmidt im Nachbarbüro auch. Du weißt, dass sie längst innerlich gekündigt haben, aber zu faul sind, sich einen neuen Job zu suchen. Dein Chef ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er dich und sein Team eh nicht im Blick hat. Deine Arbeit macht dir echt Spaß und du möchtest gerne weiter kommen. Also hängst du dich jeden Tag rein und hast auch schon einen Großteil der Aufgaben deiner Kollegen übernommen.

Die Ansteckungsgefahr dieser Bürokrankheit ist besonders groß, wenn auch du dich irgendwann fragst, wofür du das eigentlich alles machst. Warum anstrengen, wenn es doch niemand sieht? Warum die Arbeit der Kollegen mit erledigen, wenn doch alle gleich verdienen? Warum reinklotzen, wenn der Boss nur seine eigene Beförderung im Kopf hat? Wie Du dem Dienst-nach-Vorschrift-Syndrom entkommst, erfährst Du unten.

4. Meetingwahn-Bazillus

Dieser Bazillus der Bürokrankheiten hat sich in deutschen Unternehmen in den letzten Jahren stark ausgebreitet. Besonders Führungskräfte sind betroffen. Sie hetzen von Meeting zu Meeting, plaudern in Telkos mit den Kollegen aus dem Nachbargebäude oder zeigen Gesicht in extrem wichtigen Videokonferenzen mit Fernost.

Wenn es dir auch so geht und du deinen eigenen Schreibtisch nur noch siehst, um morgens den Rechner hoch und am Abend runter zu fahren (die Kollegen sollen ja sehen, dass du im Haus bist), dann hat dich der Meetingwahnsinn bereits voll erwischt.

Das Meeting-Fieber vermehrt sich durch Gewohnheit und Routine. Entscheide daher bewusst bei jeder fremden Einladung zu einer Besprechung, ob du tatsächlich teilnehmen musst. Warum ist es Dir und dem Einladenden wichtig, persönlich dabei zu sein? Über welche Themen wird gesprochen, die dich und deinen Arbeitsbereich betreffen? Welchen Input kannst du selbst dort liefern? Ist eventuell einer deiner Kollegen oder ein Mitarbeiter dort besser aufgehoben?

Plane eigene Meetings effizient, was Teilnehmer und Dauer betrifft. Frage dich, ob du die Inhalte nicht auch im kleineren Kreis besprechen kannst. Prüfe alle deine regelmäßigen Termine, ob sie in dieser Häufigkeit wirklich noch notwendig sind. Unterbrich bewusst Meeting-Gewohnheiten, um dem sich rasant ausbreitenden Bazillus den Kampf anzusagen und mehr Zeit für Dich am eigenen Schreibtisch zu finden.

5. Opfer-Haltungsschaden

Du bist dir sicher, nur die anderen sind Schuld daran, dass es dir schlecht geht? Und überhaupt, du kannst ja eh nichts daran ändern? Willkommen in der Opfer-Haltung. Ein Haltungsschaden, unter dem immer mehr Angestellte leiden und der sich mit der Bürokrankheit Maul- und Lästerseuche hervorragend vermehrt. Es ist einfach bequem, die Kollegen, den fiesen Chef, die Gesellschaft oder Frau Merkel höchstpersönlich dafür verantwortlich zu machen, dass es einem im Job schlecht geht. Und dieser Slaghuis schreibt hier ja auch ständig, wie unfähig die Chefs und wie gemein die Arbeitgeber heute sind ;-)

Ich traue es mich kaum zu sagen, doch hohe Ansteckungsraten dieses Krankheitsbildes beobachte ich bei meiner Arbeit besonders unter weiblichen Arbeitnehmern. Während die meisten Kerle mit dem Chef Klartext reden oder ihm die Kündigung hinlegen und Reißaus nehmen, verfallen manche Damen lieber in die Opfer-Haltung und halten miese Jobs aus. In einigen Teams und sogar ganzen Belegschaften ist der Opfer-Befall so massiv, dass sich ganze Koalitionen bilden, wie aus meiner Wahrnehmung zuletzt im Fall TUIfly geschehen.

6. Büropräsenz-Virus

Auch wenn viele Arbeitgeber in den letzten Jahren versucht haben, diese Bürokrankheit mit den Medikamenten „Flexibilität“ oder „Homeoffice“ zu bekämpfen, ist es wie beim Antibiotikum beim Virus-Infekt. Er wird behandelt und der Patient erfährt Besserung, doch die ursächlichen Erreger werden nicht bekämpft.

Immer noch herrscht verbreitet Präsenz-Kultur in deutschen Büros. Zeit ist Maßstab für Einsatz. Kontrolle von Arbeitszeit scheint wichtiger als Wertschätzung von Ergebnis. Befördert wird, wer viel Zeit im Büro verbringt und damit höchstes Engagement zeigt. Ein Spiel, das mitunter absurde Züge annimmt, wie auch die inzwischen vielen Kommentare unter meinem Beitrag Langeweile im Büro zeigen. Denn das ist die Folge von Präsenz-Zwang.

Hocken deine Kollegen oder vielleicht dein Chef auch nur ihre Zeit ab, besteht höchste Ansteckungsgefahr, dass dich das Büropräsenz-Virus über kurz oder lang auch erwischt. Führt es obendrein noch zum Dienst-nach-Vorschrift-Syndrom, dann wird es Zeit, entschieden und gezielt Gegenmaßnahmen einzuleiten.

7. Veränderungs-Allergie

Fortschritt ja, aber bitte keine Veränderungen bei mir! Die eigene Komfortzone verlassen? – Auf gar keinen Fall, das ist viel zu gefährlich! Wenn du so denkst, dann bist du wahrscheinlich bereits hoch allergisch gegen Veränderungen. Du reagierst beim nächsten Reorganisationsprojekt oder dem kleinsten Anflug von Neuem schon aus Gewohnheit mit Ablehnung und weißt von den letzten Versuchen, dass am Ende doch alles bleibt wie bisher.

Hier hilft nur Hyposensibilisierung. Tägliche Injektionen für dein Hirn mit leicht dosierten Veränderungen, damit dein Verstand wieder lernt, dass moderates Neues nicht sofort zum Tod – oder sogar zur Kündigung – führt ;-)

Büro-Krankheiten: Mein Rezept für wirksamen Selbstschutz

1. Was ist dir wirklich wichtig?

Die wichtigste Rezeptur gegen alle diese Büro-Krankheiten ist dein eigenes Bewusstsein darüber, was dir (!) wirklich wichtig ist. Wichtig in einer bestimmten Situation bezogen auf eine Aufgabe oder ein Ziel oder wichtig in Bezug zu anderen Personen in deinem Umfeld.

Nur wenn du bewusst Entscheidungen über dein Verhalten im Job triffst, schaltest du den Automatikmodus im Kopf aus, der ein Hauptüberträger dieser Büro-Krankheiten ist, und den Selbstverantwortungsmodus ein, der dich den Weg gehen lässt, von du in dieser Situation glaubst, dass er gut und richtig für dich ist.

2. Wie wichtig ist dir Zugehörigkeit?

Die meisten dieser Büro-Krankheiten sind so hoch ansteckend, weil du gerne dazu gehören möchtest. Wer sich im Team anders verhält und den eigen Weg geht, der wird schnell zum Außenseiter – so der Glaube. Die Angst, aus der „Sippe“ ausgestoßen zu werden ist immer noch fest in unseren Köpfen verankert. Sich wie die Gruppe zu verhalten, das Verhalten anderer zu imitieren, sich anzupassen sowie Chef und Kollegen zu gefallen, das ist auch der Grund, warum sich solche Büro-Krankheiten extrem schnell selbst auf neue Mitarbeiter im Team übertragen.

Mache dir in bestimmten Situationen bewusst, wie wichtig Dir Zugehörigkeit tatsächlich ist und ob dein Verhalten wirklich dazu führen wird, bei den Kollegen oder dem Chef weniger beliebt zu sein. Und selbst wenn es so ist, darfst du darüber frei entscheiden.

3. Triff bewusste Entscheidungen!

  • Wann solltest du gemeinsam mit Chef oder Kollegen richtig reinklotzen und wann darfst du entspannt deinen Job machen und gelassen pünktlich das Büro verlassen?
  • Wann ist es in Ordnung, mit den Kollegen mal zu lästern und wann solltest du besser deinen Mund halten?
  • Wann ist es vielleicht sogar auch gesund, nur mal Dienst nach Vorschrift zu machen?
  • Bei welchen Themen solltest du lieber ein Meeting mehr als nötig einberufen, bei welchen Terminen solltest du Gesicht zeigen und welche Meetings betrachtest du als Zeitverschwendung und sagst deine Teilnahme ab?
  • Wann sehnst du dich nach „Streicheleinheiten“ von Kollegen und ein wenig jammern tut dir gut und wann stehst du dir mit einer Opfer-Haltung nur selbst im Weg?
  • Wann ist es gut, auch mal Zeit abzusitzen und Präsenz zu zeigen und wann darfst du dich entscheiden, pünktlich das Büro zu verlassen?
  • Wann sind Veränderungen gut für dich und das Team und bei welchen Veränderungen solltest du wirklich hellhörig werden?

Es sind alles deine Entscheidungen!

Du wirst schnell bemerken, dass bewusste Entscheidungen über dein Denken und Handeln nicht nur dich zunehmend gelassener und wahrscheinlich auch zufriedener im Job machen, sondern vielleicht sogar das Arbeiten im ganzen Team sowie deine Beziehung zum Chef positiv beeinflussen.

(Bildnachweis: 123rf.com, 41466217)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Danke für diesen aufklärenden Beitrag. Eigene Entscheidungen treffen, ist immer eine gute Lösung. Dazu gehört für mich auch der Blick über den Tellerrand und der Blick aus der Adlerperspektive.
    Eine symptomatische Therapie finde ich nicht sinnvoll. Wir sollten die Ursachen bekämpfen. Ich wünsche uns allen viel Spaß und Erfolg dabei!

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