Zuschauer im Vorstellungsgespräch: So reagieren Sie als Bewerber richtig

Sie kennen es wahrscheinlich auch aus einem Ihrer letzten Vorstellungsgespräche: Sie sitzen auf der einen Seite des Tisches, auf der anderen Seite mehrere Vertreter des Unternehmens. Oft sind es zwei, manchmal auch mehr Teilnehmer, so wie im Fall von Bewerberin Jessica gleich sieben. Menschen, die einfach nur dabei sitzen. Beobachter, die sich Notizen machen, jedoch nicht am Gespräch teilnehmen. Ich bin der Meinung: Zuschauer haben in Bewerbungsgesprächen nichts zu suchen. Warum „Voyeure“ dort tabu sind und wie Sie als Bewerber mit ihnen umgehen:

Jessica (35) hatte sich auf eine Stelle als Sachbearbeiterin bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes beworben und kurz darauf eine Einladung zum Gespräch erhalten. Als sie dort ankommt, wird sie von dem Mitarbeiter der Personalabteilung am Empfang abgeholt und in den Besprechungsraum geführt. Sie tritt ein und traut ihren Augen nicht. Es ist ein riesiger Raum mit Gemälden an den Wänden, hohen Stuckdecken – wie im Museum. Mitten im Raum ein langer, schwerer Holztisch, an dem bereits sechs Personen sitzen, die sie erwartungsvoll ansehen. Auf der anderen Seite des Tisches ein schwerer Stuhl – ihr Platz.

„Keine Sorge, das Gespräch werden wir beide führen, die anderen sitzen nur dabei.“, erklärt ihr der Herr aus der Personalabteilung, der sie abgeholt hatte.

Und so kam es. Während er Jessica der Reihe nach exakt die Fragen stellte, die auf seinem Blatt Papier standen, das auch alle anderen auf der anderen Seite des Tisches vor sich liegen hatten, verhielten diese sich still, schrieben ihre Antworten mit und nickten ab und zu wohlwollend, wenn sie im Gespräch in die Runde blickte.

Sie erzählt mir, dass sie die Situation von Beginn an als sehr belastend empfunden hat. Es begann bereits damit, dass sie sich unsicher war, ob sie alle Anwesenden, die dort aufgereiht am Tisch saßen, einzeln begrüßen musste. Und auch während des Gespräches lähmte es sie, von allen Seiten beäugt zu werden. Sie habe sich dort wie die kleine Mitarbeiterin auf der Anklagebank gefühlt. Wie früher in einer mündlichen Prüfung, in der sie unter den strengen Blicken ihrer Lehrer die richtigen Antworten auf die vorformulierten Fragen finden musste.

Jessica hat ihre Bewerbung zurückgezogen, noch bevor sie eine Rückmeldung auf das Gespräch erhalten hat. Die Art und Weise, wie sie dort vorgeführt worden sei, habe sie gestört und sie sei sich sicher, dass dieser Arbeitgeber nichts für sie ist.

Zuschauer machen Bewerbungsgespräche zum Schauspiel

Die Erfahrung von Jessica ist kein Einzelfall, wenn auch sehr extrem. Dass Sie als Bewerber gleich mehreren Vertretern des Unternehmens gegenüber sitzen ist heute Normalität. Insbesondere dort, wo mehrere Gremien bei der Besetzung offener Stellen Mitspracherecht besitzen, wie es im öffentlichen Dienst und auch bei großen Konzern häufig der Fall ist.

Grundsätzlich ist gegen mehrere Gesprächsteilnehmer auf Arbeitgeberseite nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil ist es für beide Seiten von Vorteil. Ob aus Gründen der Gleichberechtigung und Dokumentation des Bewerbungsprozesses aus Unternehmenssicht oder der Möglichkeit für Bewerber, gleichzeitig mehrere Mitarbeiter kennen zu lernen.

Doch sobald Gesprächsteilnehmer zu Zuschauern mit Redeverbot werden, wird aus dem Gespräch eine Aufführung – wie im Schauspiel.

Stellen Sie sich vor, Sie lernen auf einer Party einen interessanten Menschen kennen. Sie kommen ins Gespräch, tauschen sich aus, lachen miteinander und erfahren, was Sie voneinander interessiert. Um Sie herum andere Gäste, die sich ebenfalls unterhalten. Völlig normal, oder?

Und nun stellen Sie sich die gleiche Gesprächssituation mit diesem interessanten Menschen vor, währenddessen die anderen Gäste der Party um Sie beide herum sitzen, nur zuhören und notieren, was Sie zueinander sagen. Völlig unvorstellbar, oder?

Nichts anderes sind Bewerbungsgespräche mit Zuschauern, wie es Jessica erlebt hat. Nur, dass wir es bei dieser Art von Gespräch als normal bewerten und gleichzeitig die Situation als nicht veränderbar hinnehmen – auf beiden Seiten. „Das macht man halt so!“

Vielleicht sagen Sie jetzt „Das kann man doch nicht vergleichen, auf einer Party geht es ja auch um nichts“. Sicherlich ist es eine andere Situation und auch ein anderer Rahmen, ob Sie privat oder beruflich Gespräche führen, doch zu den Grundvoraussetzungen für ein gutes Gespräch zählen aus meiner Sicht drei Dinge: Echtes Interesse am Gesprächspartner und seinen Sichtweisen, ausgewogene Redeanteile auf beiden Seiten sowie Augenhöhe als Ausdruck einer persönlichen Haltung. Alles das wird in Bewerbungsgesprächen durch die Anwesenheit von Zuschauern verhindert.

Machen Sie aus Zuschauern Beteiligte

Wenn ich Team-Workshops in Unternehmen moderiere, ist eine meiner Aussagen zu Beginn: „Es gibt hier heute keine Zuschauer, sondern nur Beteiligte.“ Es ist mir wichtig, eine Workshop-Kultur zu etablieren, die es den Anwesenden erlaubt, sich zu öffnen und dort im geschützten Rahmen auch Themen anzusprechen, die sie im Tagesgeschäft oftmals unter den Teppich kehren. „Ich mache nicht mit, sondern schaue nur zu“ höre ich manchmal von den Führungskräften. Keine gute Basis, damit sich ihre Mitarbeiter öffnen. Ich beziehe daher immer auch solche „Zuschauer“ mit ein und wenn jemand an einer Workshop-Sequenz nicht aktiv teilnehmen möchte, kann er sich entscheiden, solange den Raum zu verlassen.

Machen Sie Zuschauer genauso in Bewerbungsgesprächen zu Beteiligten. Als einladende Recruiter oder Verantwortliche des Fachbereichs, indem Sie Ihre Kollegen aktiv in das Gespräch einbeziehen statt ihnen Redeverbot zu erteilen.

Was hätten Sie als Bewerber empfunden, wenn der Mitarbeiter aus der Personalabteilung gesagt hätte: „Das Gespräch werden vor allem wir beide führen, meine Kollegen möchten Sie jedoch auch kennenlernen und haben vielleicht ebenfalls einige Fragen an Sie. Und so können auch Sie heute schon Ihre vielleicht zukünftige Chefin und einige der Kollegen aus dem Team kennenlernen.“

Und auch Sie als Bewerber haben die Möglichkeit, im Gespräch aus unbeteiligten Zuschauern echte Gesprächspartner zu machen. Beziehen Sie sie von Beginn an aktiv in das Gespräch mit ein. Blicken Sie sie bei Ihren Antworten an und stellen Sie auch ihnen gezielt Fragen, etwa zu ihrer Funktion im Unternehmen, ihrer Sichtweise auf das Team, zu aktuellen Themen aus der Branche oder was auch immer für Sie und Ihre Entscheidung für diese Stelle bei diesem Arbeitgeber wichtig ist. Nutzen Sie das Wissen, die Meinungen und die Erfahrungen aller, die mit Ihnen dort am Tisch sitzen. Niemand kann und wird Ihnen verbieten, die „Beobachter“ anzusprechen. Und falls doch, wissen Sie, wie der Hase dort im Unternehmen läuft.

Zuschauer machen Gespräche zur Aufführung. Recruiter und Bewerber, macht Schluss mit diesem Schauspiel! Ein gutes Bewerbungsgespräch ist ein Austausch als echter Dialog auf Augenhöhe und die Chance, sich vor allem menschlich gemeinsam gegenseitig besser kennen zu lernen.

(Bildquelle: 123rf.com, #61500369, Ирина Козорог)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Meine Frau ist Beamtin a. d. Ich habe sie natürlich dazu befragt und ….. Das ist bei Ämtern ganz normal (inzwischen). Früher waren das auch mal nur max. 3 Personen. Aber heute kommen da die Person vom Personalamt, von der betroffenen Diensstelle, ggf. noch ein zukünftige/r Kollege/in und der/die Amtsleiter/in sowie der/die Leiter/in der Verwaltung und je nach dem noch jemande vom Personalrat. Und, mitgezählt? Das sind 6 Personen. Also, alles ganz normal. So sind Ämter eben.

    In der freien Wirtschaft habe ich selten mal mehr als 3 Personen gehabt. Meist nur dann, wenn es dort schon brennt und es um konkrete Probleme geht. Dann icht aber auch kaum die Frage, ob ich dort anfangen kann sondern nur wann es los geht.

    Was nun den Tipp angeht, alle in das Gespräch einzubinden, so mache ich das immer. Allerdings, das geht um so besser je weniger diese Personen eigentlich wissen was ich mache. Da kann ich dann immer mit Anschauungsmaterial arbeiten. Sind es dagegen Personen aus dem Fach, geht es meist um sachliche Fragen.
    So wtwas geht sicherlich nicht bei jedem Beruf.
    Wenn ich mal auf Personen treffen, die mir ohne Ahnung von der Materie meinen sagen zu müssen wie ich meinen Beruf machen soll, sage ich meist selber ab.
    Es kommt also immer auf die Gesamtsituation an.

    Wenn die Personen also nur dabeisitzen, habe ich nichts dagegegen. Könnte ja tatsächlich sein, das die Personen noch was lernen.

    Um ehrlich zu sein, ich würde mehr Schwierigkeiten haben, wenn da 6 Bewerber zur gleichen Zeit befragt würden. Das halte ich für unmöglich.

    1. Wenn ich diese Seite nur schon eher gelesen hätte!
      Ich war 46, als meine Firma
      krankheitsbedingt geschlossen wurde. Von da ging eine fast endlose Bewerbungsodyssee los. Ich wurde ins Verhör genommen, mit Fangfragen bombardiert und vor das oben genannte Gremium gesetzt. Und das Schlimmste ich habe gedacht, ich müsste mir das alles gefallen lassen! Es wäre ebenso Usus.
      Nach 100 Absagen bin ich dann bei einer Zeitarbeitsfirma gelandet und mittlerweile
      wieder in Festanstellung – aber in vielen Momenten war ich wirklich der absoluten Verzweiflung nahe. Wäre ich eher auf diese Seite gestoßen, hätte ich mir viel ersparen können. Danke für Ihre Tipps.

  2. Ich selbst hatte mich auf eine Stelle als Erzieherin bei der Stadt beworben. Als ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, hätte ich nicht damit gerechnet, dass ich in einem Sitzungssaal mit ca. 10 Personen sprechen werde.
    Genau wie Jessica kam ich mir veräppelt vor (auch wenn ich selbst weiß, dass es hier Gremien gibt, die beteiligt werden müssen).
    Da ich mittlerweile selbst Wiedereinsteigerinnen coache kann ich zumindest diese darauf vorbereiten, dass es nicht immer nur eine Person ist, die ihnen gegenübersitzt. Dieses darauf vorbereitet sein, hilft nach eigenen Angaben unseren Teilnehmerinnen und sie können „lockerer“ mit dieser Situation umgehen.
    In meinen weiteren Bewerbungsgesprächen waren bisher drei Personen auf der „anderen Seite“ des Gesprächs das Maximum, wobei in diesem Bewerbungsgespräch insgesamt vier Bewerber saßen. Dies wurde vorher auch nicht transparent gemacht. Wobei im Gespräch dies als „erster Test“ genannt wurde…

  3. Gespräche zwischen Bewerbern und Unternehmen sollten auf Augenhöhe stattfinden. Und genau da liegt das Problem, denn bei vielen Unternehmen und Behörden wird dies oft noch nicht praktiziert. Dabei ist ein Vorstellungsgespräch doch viel effektiver, wenn es zu einem gegenseitigen Austausch kommt, an dem alle beteiligt sind. Wenn der Bewerber sich jedoch eher vorkommt wie bei einem Gerichtstermin, kann dies nicht funktionieren. Die „Schweiger“ in das Gespräch einzubinden ist eine gute Vorgehensweise, jedoch ist nicht jeder Bewerber aufgrund der Aufregung sowie der speziellen Gesprächssituation dazu in der Lage.

  4. Also ich hatte gestern ein Vorstellungsgespräch im Rathaus, es ging um eine Anstellung bei der Gemeinde. Im Sitzungssaal waren 10 Gesprächspartner anwesend aus verschiedenen Gremien, Personalrat, Gemeinderat usw. Diese saßen an Tischen, die in U-Form angeordnet waren und mein Tisch war in der Mitte des U! Ich war also quasi umringt von den anderen Personen. Da kam ich mir wirklich vor wie auf der Anklagebank. Der Haupt-Fragensteller saß mir zwar direkt gegenüber, aber man wurde von allen Seiten beäugt. Das war kein besonders angenehmes Gefühl, gerade wenn man sowieso schon aufgeregt ist. Eine Vorwarnung gab es erst auf dem Weg zum Saal.

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