Geld ist unwichtig, solange das Gehalt stimmt

Geld allein macht heute keine Freude mehr im Beruf. Es zählen andere Dinge, wie beispielsweise Selbstverwirklichung, Herausforderung oder Sinn, die dem vollen Bankkonto vorgezogen werden und für Erfüllung im Job sorgen. Das zumindest zeigen aktuelle Studien und ich stelle es auch im Karriere-Coaching fest. Doch ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie viele Tipps und Tricks rund ums Gehalt und die Gehaltsverhandlung jeden Tag aufs Neue durchs Netz geistern? Alle Überschriften versprechen sofort mehr Geld oder locken mit den brandneuen Tricks, wie Sie beim nächsten Jahresgespräch zum Verhandlungssieger werden. Solche Texte finden enormen Anklang und werden nach Erscheinen tausendfach geklickt. Wie kann das sein, wenn Geld doch angeblich so unwichtig für die Karriere und das persönliche Glück geworden ist? Warum besteht überhaupt noch solch ein Interesse an Gehalts-Themen? Ein scheinbarer Gegensatz, den ich spannend finde.

Geld allein macht heute nicht mehr glücklich

Frage ich Jobwechsler und Bewerber, was ihnen für den nächsten Schritt im Beruf besonders wichtig ist, dann nennen sie alle das Geld unter ferner liefen. Sie sehnen sich vielmehr nach einem spannenden Job, Kollegialität, einem Chef wertschätzend und auf Augenhöhe. Das alles ist ihnen heute wichtig, um motiviert gute Arbeit zu leisten. Ja, irgendwann sagen sie mir im Gespräch „So viel wie jetzt möchte ich beim nächsten Arbeitgeber schon verdienen.“, doch es klingt wie eine unbedeutende Nebenbedingung. Es sei denn, ich habe es mit Downshiftern zu tun, die bewusst auf der Karriereleiter einen Schritt zurück gehen möchten und hierfür sogar auf Einkommen verzichten würden.

Indeed-Job-Happines-Index-2016

Quelle: Indeed, 2016

Geld allein ist heute weder Lock- noch Bindemittel für gute Mitarbeiter. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Studien zur Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung. Die gerade veröffentlichten Ergebnisse des „Indeed Job Happiness Index 2016“ zeigen, was Angestellte im Job glücklich macht: An erster Stelle rangiert die Work-Life-Balance, danach die (Unternehmens-)führung, die Kultur und Sicherheit/Entwicklung. Job-Glücksfaktor Geld rangiert auf Platz 5.

Interessant finde ich ebenso die Ergebnisse der Studie zur Fachkräftesicherung und –bindung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Potenzielle Jobwechsler träumen zwar an erster Stelle von einer besseren Bezahlung, doch für die Befragten, die tatsächlich den Arbeitgeber gewechselt haben, rutscht die Bedeutung von mehr Geld und Zusatzleistungen auf Platz 5 ab.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2016.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2015.

 

Der Wunsch nach mehr Gehalt scheint Angestellte zwar zu motivieren, über einen Jobwechsel nachzudenken, doch für die spätere Auswahlentscheidung stehen andere Kriterien im Fokus. Oder es wechseln tatsächlich vor allem solche Arbeitnehmer, denen die weichen Themen wichtiger sind, während die Gehalts-Träumer den Absprung am Ende doch nicht durchziehen.

Besonders für die junge nachrückende Generation scheint das Motto des gleichnamigen Buchs Glück schlägt Geld ein Ausdruck ihrer heutigen Einstellung zu Job und Karriere zu sein. Auch wenn immer mehr Stimmen laut werden, dass die Unterschiedlichkeit der Generationen ein Mythos sei, so ist doch aus meiner Erfahrung aus Coachings ein Generationen übergreifender Trend weg vom Geld hin zum Sinn im Beruf zu erkennen.

Tipps & Tricks für mehr Gehalt feiern Hochkonjunktur

Ich beobachte es seit einigen Wochen ganz bewusst, welche Job- und Karriere-Themen im Netz auf großes Interesse stoßen und daher auch hier im Blog für Aufmerksamkeit sorgen könnten. Jeden Tag taucht in den großen Karriere- und Wirtschafts-Portalen irgendwo mindestens ein Artikel rund ums Gehalt und die Gehaltsverhandlung auf. Werfe ich einen Blick auf die Klickzahlen, die Verbreitung in Social Media und die Kommentare, dann scheinen diese Beiträge echte Traffic-Garanten für die Portale zu sein. Hier ist eine kleine Auswahl – nur aus der vergangenen Woche:

Das sind längst nicht alle Suchergebnisse zum Thema, aber ich möchte Sie nicht langweilen ;-)

Das ist der Wahnsinn, oder? Warum interessieren sich so unglaublich viele Angestellte immer aufs Neue für die mitunter auch ziemlich platten Experten-Ratschläge für mehr Gehalt, wenn Geld doch angeblich gar nicht so wichtig ist?

Mehr Geld? – Da sage ich nicht Nein!

Na klar, kommt der Chef am Jahresende mit dem Bonus um die Ecke oder bietet vielleicht sogar aus freien Stücken die turnusmäßige Gehaltserhöhung um 2,9 Prozent an, dann gibt’s was zu feiern. Die Gleichung ist simpel: Je mehr Geld auf dem Konto, desto besser – auch wenn es einen abnehmenden Grenznutzen gibt.

Und natürlich hat auch heute noch das Versprechen von Bonus, Provision, Dividende oder Tantieme eine Wirkung auf die Arbeitsmotivation des Einzelnen. Wenn auch inzwischen wissenschaftlich bewiesen ist, dass Gehaltserhöhungen und Boni nur sehr kurzfristig wirken, ja sogar Fehlanreize setzen können. Reinhard K. Sprenger hat dies in „Mythos Motivation – Wege aus einer Sackgase“ sehr gut beschrieben.

Und dennoch: Wenn Sie einen Blick auf Ihre Kollegen im Vertrieb (oder auf sich selbst als Vertriebler) werfen, dann sehen Sie wahrscheinlich eine Persönlichkeit, der Geld als Wert und Motivator sehr wichtig ist. Zumindest auf die eingefleischten Vertriebler 50+ dürfte das heute noch stark zutreffen. Die meisten Vertriebsorganisationen, insbesondere in der Finanzdienstleistungs- und Versicherungs-Branche, sind immer noch extrem von Provisionen und Incentives getrieben.

Dass Unternehmen und Manager die Belohnungsfunktion von Geld für die nachhaltige Performance ihrer Mitarbeiter mitunter falsch einschätzen, ist das eine und wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die neueren Forschungen der Motivations- und Anreiz-Theorie in der Praxis niederschlagen. Doch klar ist auf der anderen Seite, dass nahezu jeder Arbeitnehmer (und auch Selbständiger) auch ein Einkommensmaximierer ist und damit ein eigenes Interesse hat, mehr Gehalt zu verhandeln.

 

Geld ist unwichtig, solange das Gehalt stimmt

Das monatliche Gehalt steht für Sicherheit und das ist heute vor allem für junge Berufstätige ein wichtiger Wert. Um das gerade frisch bezogene Eigenheim abbezahlen zu können, eine kleine Reserve für Unvorhergesehenes zu horten, sich ein- zweimal im Jahr den Urlaub zu gönnen oder einfach den lieb gewonnenen Lebensstandard heute und vor allem im Alter beibehalten zu können.

Das Gehalt als Leistung des Arbeitgebers ist Ausdruck von Anerkennung. Das Gehalt sollte zur Ausbildung, der Verantwortung im Beruf und den persönlichen Leistungen passen. Vor allem im Vergleich mit Kollegen und Freunden ist das für viele Angestellte wichtig als Indiz für Gerechtigkeit.

Bleibt am Monatsende vom Gehalt etwas übrig, dann schenkt es Unabhängigkeit. Mit einem kleinen Finanzpolster ist es beispielsweise leichter, auch auf eigene Faust den Job zu kündigen, wenn es nicht mehr passt und eine Durststrecke in der Bewerbungsphase zu überbrücken. Für viele weibliche Angestellte bedeutet das eigene Gehalt Unabhängigkeit von ihrem Partner, das ist vielen heute auch sehr wichtig.

„Bin ich erfolgreich, habe Freude im Beruf und ist das alles erfüllt, was mir heute so wichtig ist, dann stimmt auch das Geld.“ So die Argumentation vieler Berufstätiger, wenn ich mit Ihnen über ihre Werte und Ziele im Beruf spreche. Das Geld ist in die zweite Reihe getreten. Es wird immer unwichtiger, wenn es um Erfolg und Erfüllung im Beruf geht.

Das Gehalt ist zur bunten Schleife ums Geld geworden. Als Zeichen von Anerkennung, Gerechtigkeit, einer sinnvollen Beschäftigung oder als Basis für Unabhängigkeit. Das ist es, was aus meiner Perspektive auch in Zukunft Motor für Motivation und persönliche Leistung sein wird. Das erklärt, warum die vielen Tipps zur Steigerung des Gehalts doch noch auf derart großes Interesse stoßen.

Sie als Leser können sich jedoch beim nächsten Mal bewusst fragen, wenn Sie wieder auf eine dieser „So verdienen Sie mehr!“ Überschriften klicken, was für Sie persönlich tatsächlich hinter „mehr Geld verdienen“ steht. Sind es wirklich der Sieg in der Gehaltsverhandlung und die 200 Euro netto monatlich mehr auf dem Konto oder verbergen sich eigentlich ganz andere Werte und Ziele dahinter? Und vielleicht gibt es ja dann auch andere Stellschrauben, an denen Sie außer in Gehaltsverhandlungen selbst drehen können, um diese wahren Ziele zu erreichen.

Falls Sie erfahren möchten, welches Gehalt in Ihrer Branche und Position realistisch ist, empfehle ich den Gehaltsplaner von Stepstone (Registrierung mit Ihrer E-Mail-Adresse erforderlich). 

(Bildnachweis: 123.rf.com, 40542148)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Nun, ich verstehe schon, dass die Hinweise auf mehr Gehalt gelesen werden. -Wer hätte schon nicht gerne mehr Gehalt für die gleiche Arbeit, oder?- Doch halte ich die „Klicks“ darauf nicht als ein Hinweis darauf, dass das Geld im Vordergrund steht.
    Klar, Geld muss ja sein, aber es ist nicht der Hauptmotivator. Anerkennung, Freiraum und Sinnhaftigkeit so wie die Möglichkeit etwas zu Bewirken und zu Verändern, das steht zumindest bei mir im Vordergrund. Wenn das Gehalt dann ausreichend ist, ist die Verwirklichung mir deutlich wichtiger. Hohes Gehalt bei stupider, eintöniger und unbefriedigender Arbeit führt nur zu einer inneren Unzufriedenheit und somit dazu, dass ich mich von dem Arbeitgeber über kurz oder trennen würde.
    Daher kann ich dem Text nur zustimmen.

  2. Ich möchte mich meinem Vorredner Jürgen Ende in einem wesentlichen Punkt anschließen. Für mich ist wichtiger denn je Anerkennung, Lob und Wertschätzung meiner Arbeit. Doch häufig findet das kaum Beachtung. Und dann wundert es die Führungsetage, warum die Leistung nachlässt.

    BG

    Jörg K. Unkrig

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