Macht im Job: Wie wichtig ist sie für Erfolg und Karriere?

Wie wichtig ist es für Sie, Macht im Job zu besitzen? Diese Frage reflektiert jeder meiner Klienten im Karriere-Coaching für sich, wenn es um die wichtigsten persönlichen Werte im Beruf geht. Die meisten von ihnen lehnen Macht spontan erst einmal ab. Macht ist igitt, habe ich manchmal das Gefühl. Sie rümpfen die Nase, als ob es anrüchig und falsch wäre, danach zu streben. Macht stinkt, denn viele von ihnen haben die negativen Seiten selbst zu spüren bekommen. Nur wenige wünschen sich mehr Macht. Als Motor für ihre Karriere, um Einfluss nehmen zu können oder aus purer Machtgeilheit. Warum Macht bei vielen Angestellten und Führungskräften keinen guten Ruf genießt und warum wir doch ohne sie nicht auskommen, um nicht nur im Beruf erfolgreich, sondern auch persönlich zufrieden zu sein:

Junge Menschen pfeifen auf Macht im Job

Besonders auffällig ist die Abneigung gegenüber Macht, je jünger die Menschen sind, mit denen ich über den Wert von Macht im Job spreche. Eigentlich ist es genau das Klischee der sogenannten Generation Y, also der jungen Berufstätigen, die angeblich so sehr verrückt nach Freiheit oder gar Unabhängigkeit in ihren Jobs sind. Die antreten, um die alten Systeme mit ihren verkrusteten Machtgefügen zur Strecke zu bringen. Vielleicht, weil viele von ihnen gesehen haben, wie ihre Eltern-Generation die Zeiten erlebt haben, die getrieben von beginnender Digitalisierung und Kostenoptimierung, Ausdünnung von Hierarchieebenen und Rationalisierung geprägt waren. Vielleicht auch, weil junge Menschen heute immer stärker Angebote in gut verdaulichen Häppchen bis zum Abschluss des Masters vorgesetzt bekommen und sie so immer weniger lernen, selbst Verantwortung – und damit die Macht – für ihr eigenes Leben zu übernehmen.

Ist Macht für einen Teil der Berufsjugend gar zu anstrengend und ein Konflikt zu Feelgood und Leichtigkeit im Job? Sie möchten zwar zügig Verantwortung und Einfluss, doch bitte nicht mit Macht! So kommt mir ihre Sicht auf Job und Karriere zumindest häufig vor.

Berufserfahrene haben Macht gespürt

Macht lehnen ebenfalls alle die ab, die als Angestellte wissen, wie sie sich anfühlt. Die von schrecklichen Erlebnissen mit cholerischen, unberechenbaren Chefs oder vom Mobbing unter Kolleginnen berichten können. Die über Jahre in ihrem Berufsleben und oftmals bis heute den Druck von oben zu spüren bekommen haben, der sie immer kleiner und unsicherer hat werden lassen. Selbst einmal Macht zu besitzen, das würde für sie bedeuten, genauso wie die anderen im System zu werden, unter denen sie so gelitten haben. Bei der Frage nach Macht als Wert im Beruf läuft vor ihren Augen ein Film ab, deren Hauptdarsteller sie auf gar keinen Fall werden möchten.

Wenn berufserfahrene Angestellte zu mir kommen, dann möchten auch sie sich weiterentwickeln, Gestaltungsspielräume besitzen und das tun, was ihnen Freude bereitet und ihnen wichtig ist. Doch Macht sei hierfür nicht erforderlich, so häufig ihre spontane Reaktion.

Führungskräfte sollen ohne Macht funktionieren

Selbst mancher Führungskraft ist Macht inzwischen reichlich suspekt. Haben sie doch gerade erst in Trainings gelernt, dass Leadership heute anders funktioniert als früher. Anweisung und Kontrolle sind längst out! Teams sollen sich fein selbst agil organisieren und Verantwortung muss an die Basis weitergereicht werden. Da ist und darf kein Platz mehr für Macht in der Führung sein, denn viel zu groß ist die Gefahr, dass Mitarbeiter unter Druck kündigen und mangels Identifikation mit dem eigenen Arbeitgeber einfach so wechseln. Macht als Führungsinstrument ist aber auch so was von 80er! Eine Haltung, die in vielen hippen Führungskräfte-Seminaren verkauft wird und Sie bemerken schon an meiner Wortwahl, was ich davon halte. Dazu passt übrigens auch mein Kuschelkurs-Artikel über die Denkfehler von Führungskräften.

Machtgeilheit als pures Lebenselexier

Macht ist bei allen dieser drei Beispiele negativ belegt. Macht gilt hier als Synonym für eine negative Beeinflussung von Menschen. Steuerung von Angestellten per Zwang entgegen ihrer individuellen, persönlichen Werte und Ziele. Das ist es, was Führung lange Zeit war – und mancherorts leider heute auch noch ist. Chefs, die vorgeben zu wissen, was gut für ihre Untergebenen ist, vor allem aber wissen, was gut für sie selbst ist. Bosse, deren Lebenselexier allein das Boss sein ist. Machtgeile, die ihre ausschließlich durch Hierarchie und Status verliehene Stärke ausnutzen, um vermeintlich Schwächere zu erniedrigen und sich selbst zu erhöhen.

Eine dunkle Seite von Macht, die glücklicherweise in deutschen Unternehmen immer mehr der Vergangenheit angehört, deren Erbe dennoch hier und da noch sehr deutlich zu spüren ist, mindestens noch in den Köpfen älterer Generationen Angestellter und Chefs. Auch wenn diese Form von Macht im Job immer ein Motiv und Antreiber für persönlichen Erfolg mancher Menschen sein wird, gilt es, in der Arbeitswelt von morgen solche Rahmenbedingungen und Mechanismen zu etablieren, die Machtgeilheit als pures Lebenselexier nicht länger zulassen, zumindest nicht mehr fördern.

Einfluss: Die gute Seite von Macht im Job

Super spannend in meiner Rolle als Coach ist es immer wieder zu beobachten, welche Bedeutung dem Einfluss im beruflichen Alltag und für die Karriere beigemessen wird. Wer Macht als Wert eben noch kategorisch abgelehnt hatte, der wünscht sich bitte mehr Einfluss in seinem Tun. Je höher eine Führungskraft oder je ambitionierter die Karrierepläne, desto wichtiger wird die Relevanz von Einfluss bei den persönlichen Werten im Beruf. Sie alle möchten etwas bewegen können, bedeutsame Entwicklungen aktiv mitgestalten, etwas schaffen und Ergebnisse sehen können.

Ja, Einfluss zu haben, das zahlt bei jungen Menschen, Berufserfahrenen und besonders bei Führungskräften auf Freude und Sinn im Beruf ein. Mehr Gestaltungsspielraum wünscht sich fast jeder Angestellte in der Karriere-Beratung, der sich heute von starren Hierarchien und fest definierten Prozessen wie im Korsett eingeengt fühlt. Sie möchten ein gutes Ergebnis produzieren, der Weg dorthin soll keine Rolle spielen. Spielräume – in definierten Grenzen, die trotzdem Sicherheit bieten. Auch das ist für viele Mitarbeiter im Team heute Einfluss.

Manche Führungskraft, die Macht eben noch abgelehnt hat, erkennt plötzlich ihre gute Seite, den Einfluss. Wer in den heute meist noch vorherrschenden Hierarchie-Strukturen Macht besitzt, kann Einfluss nehmen. Wem durch Beförderung oder Wahl Macht verliehen wurde, kann strategische Entwicklungen beeinflussen. Wer Spezialisten-Wissen erworben hat, kann fachlich als Experte Einfluss nehmen. Einfluss und Macht sind – zumindest heute noch – eng aneinander gekoppelt. Eine Verbindung, die viele Angestellte und auch die meisten Führungskräfte so nicht erkennen.

Guter Einfluss statt stumpfe Macht. Das ist es, was Mitarbeiter bindet, nachhaltig zu Fortschritt führt und Teams in Unternehmen fair Ziele erreichen lässt. Trifft auch auf die Politik zu, aber wir sind ja hier im Karriere-Blog. Und da ist es meine ich auch unerheblich, ob Einfluss Wolkenkratzer versetzt oder ob Einfluss für einen einzelnen Menschen nur stärker selbstbestimmtes Handeln bedeutet. Es hängt davon ab, wie Sie Karriere für sich definieren und welchen Wert Einfluss für Sie hierbei hat.

Macht ist, was Du daraus machst!

Ich persönlich bin der Meinung, Macht im Job ist per se nichts Schlechtes. Der Machtbegriff ist in unserer Gesellschaft jedoch – sicherlich auch historisch – vorwiegend negativ besetzt. Dabei schafft Macht auch an vielen Stellen Mehrwerte und stiftet Nutzen, wenn mit ihr verantwortungsbewusst umgegangen und sie gezielt sinnvoll eingesetzt wird.

Jeder von uns sollte die Macht über sein eigenes Leben besitzen. Selbstverantwortung hat viel mit Macht zu tun. Der Macht über uns selbst und der Möglichkeit des Einflusses darauf, Entscheidungen zu treffen, um das zu tun, wovon wir glauben, dass es heute und in Zukunft gut und richtig für uns und unser soziales Umfeld ist.

Gerade junge Angestellte wünschen sich Führungskräfte, die Entscheidungen treffen und die Leitplanken der Zusammenarbeit klar vorgeben und ihnen so auch ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Chefs sollen Vorbilder und Mentoren sein. Wie soll das funktionieren so ganz ohne Einfluss als die positive Medaille von Macht?

Es mag heute Unternehmen geben, die vollständig ohne Hierarchien, Führung und Macht einzelner Akteure auskommen. Die jegliche Entscheidung demokratisch per Handzeichen in großer Runde abstimmen. Wo es (scheinbar) niemanden gibt, der Vorgaben macht oder Einfluss auf das Denken und Handeln anderer nimmt. Auch wenn es diese  NewWork-Unternehmer gibt, glaube ich auf lange Sicht nicht an solch ein Modell in der Breite unserer Wirtschaftslandschaft. Diese Unternehmen sind heute erfolgreich, weil ihnen der Vorzeigestatus Vorteile durch Aufmerksamkeit im Wettbewerb in einer Nische verleiht – und damit auch eine Form von Macht.

Macht im Job ist, was jeder von uns daraus macht. Ob eine Abhängigkeit im Beruf, der höhere Status in der Firmenhierarchie, der höhere Bildungsabschluss, irgendwelche Titel oder Auszeichnungen: Wir entscheiden selbst, was Macht und Einfluss für uns persönlich bedeuten und auch darüber, wie wir sie bewusst positiv oder negativ einsetzen.

Einfluss und Macht sind mir wichtig, ich halte diese beiden Werte sogar für extrem wertvoll für Erfolg im Beruf. Dabei würde jemand, der mich näher kennt, wahrscheinlich niemals über mich sagen, dass ich ein Macht-Typ bin. Neulich bin ich als „Influencer“ bezeichnet worden, das war ein schönes Gefühl. Ja, die Macht, Meinung bilden zu können, ist auch eine Form von Macht. Und wie alle meine Beispiele ist auch dies ein Einfluss, den ich bewusst missbrauchen oder aber mit positiver Absicht nutzen kann.

Ich würde mir wünschen, dass sich das heute weit verbreitete Igitt-Image von Macht in den nächsten Jahren durch positive Vorbilder und folglich auch ein neues Bewusstsein in der Wahrnehmung von gutartiger Macht verändert. Hin zu einer Macht als probatem Mittel für mehr positiven Einfluss und nachhaltiger Selbstwirksamkeit. Und dies vom Top-Manager bis zum jungen Erwachsenen. Denn je komplexer unsere Arbeitswelt wird, desto mehr brauchen wir auf der einen Seite starke Persönlichkeiten und Entscheider, die gute Rahmenbedingungen schaffen und zukunftsfähige Richtungen weisen sowie auf der anderen Seite starke Mitarbeiter, die Selbstverantwortung übernehmen und wieder zum einflussreichen Chef ihres eigenen Lebens werden.

(Bildnachweis: 123rf.com, 19563374, konstantynov)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Als junge Führungskraft kann ich dem Artikel zustimmen. Allerdings würde mich interessieren, wie ich das „kleine etwas“ Macht weiter ausbauen kann, um mehr Verantwortung zu erhalten und somit meine Macht zu erhöhen. Denn das negative an Macht ist, sobald man Blut geleckt hat, möchte man mehr.

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