Überleben unter Kollegen: Kämpfst du noch oder spielst du schon?
„Mein Job wäre ja prima, wenn da nur nicht die Kollegen wären.“ Ein Satz, den ich oft auch von meinen Klienten höre. Weil die Kollegin am Schreibtisch gegenüber ständig laut privat telefoniert, der Neue falsches Spiel spielt, die Assistentin vom Chef sich für etwas Besseres hält und den Geschirrspüler nie ausräumt und der Trottel aus der Buchhaltung immer Papierstau im Kopierer hinterlässt. Ja, manche Kollegen sind von zusammen arbeiten heute weit entfernt. Dabei könnte es so einfach sein, behauptet Mathias Fischedick in seinem neuen Buch „Überleben unter Kollegen“. Im Interview erklärt er, was seine Erfolgsfaktoren für gute Zusammenarbeit sind:
Mathias, Dein neues Buch heißt „Überleben unter Kollegen“ – Geht es wirklich nur ums pure Überleben?
Mathias Fischedick: Der Titel drückt das aus, was ich von meinen Coachingklienten und Seminarteilnehmern immer wieder gespiegelt bekomme: Sie haben das Gefühl, dass die Zusammenarbeit mit manchen Kollegen ein anstrengender Kampf ist. Meine Erfahrung dagegen ist, dass unterschiedliche Meinungen und Arbeitsauffassungen nicht zwingend zu einem Gegeneinander führen müssen, sondern auch eine Bereicherung sein können.
Ich kann mir vorstellen, dass jetzt der ein oder andere Leser ungläubig den Kopf schüttelt, aber es ist wirklich möglich, gemeinsam gerade deswegen mehr zu erreichen, weil man unterschiedliche Sichtweisen hat.
Deine Geschichten aus dem täglichen Büro-Wahnsinn haben mich laut lachen lassen. Ist es zum Lachen oder eher zum Weinen?
Beides! Am Beginn vieler Coachings und Seminare ist es den Klienten und Teilnehmern eher zum Weinen zumute. Nach einiger Reflexion und dem besseren Verständnis der Zusammenhänge endet es oft mit einem erleichternden Lachen. Eine Teilnehmerin, die sich zu Beginn des Seminars fürchterlich über ihren Chef aufgeregt hatte, sagte am Ende „Ich habe auf einmal einen ganz anderen Blick auf ihn. Ich habe jetzt fast ein schlechtes Gewissen, dass ich auf ihn in letzter Zeit so abweisend und genervt reagiert habe. Ich muss unbedingt mit ihm ein klärendes Gespräch führen.“
Zum Thema gibt es bereits etliche Ratgeber, was ist das Neue an Deinem Buch?
Vor allem, dass es keine Tipps enthält, wie man nervige Kollegen manipuliert, ruhig stellt oder gar „fertig macht“. Denn alle diese Tricks führen vielleicht zu einem kurzfristigen kleinen Sieg, mittelfristig sorgen sie jedoch meist zu einer Verhärtung der Fronten. In meinem Buch zeige ich einen Weg auf, wie man durch gegenseitige Wertschätzung ein besseres Betriebsklima erreicht. Das geht nicht von heute auf morgen und mit ein paar Tools und Kniffen, sondern bedarf einem gewissen Maß an Zeit und vor allem Bewusstwerden für die eigenen Spielregeln und für die der „nervigen“ Kollegen.
Im Grunde wollen wir alle nur zusammen spielen und nicht gegeneinander kämpfen. Wir Menschen sind alle soziale Wesen und die Konflikte entstehen daraus, dass wir durch unsere Erziehung und unsere Erfahrungen andere Spielregeln für das „Spiel des Lebens“ gelernt haben. Dadurch, dass jeder überzeugt ist, die einzig richtigen Spielregeln zu kennen und zu wissen, was „normal“ ist, entstehen Streitigkeiten.
Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass es nicht DIE richtigen Spielregeln gibt. Grundsätzlich gilt: Es gibt so viele verschiedene Spielregeln, wie es Menschen gibt.
Die wollen doch nur spielen? So mancher Angestellte dürfte über seine Kollegen anders denken. Ist es wirklich so leicht?
Ich sage nicht, dass es leicht ist! In meinen Augen ist es aber der einzig nachhaltige Weg. Nur wenn ich mich dafür interessiere, wie der anstrengende Kollege tickt und im Gegenzug ihn auch in meinen Kopf schauen lasse, kann ein gegenseitiges Verständnis entstehen. Vielleicht ärgere ich mich, weil mein Chef ständig für alles Listen und Exceltabellen haben möchte. Bei einem offenen Gespräch erfahre ich vielleicht, dass er diese Dokumente einfordert, weil ihm Struktur wichtig ist und ihm Listen und Tabellen genau diese geben. Wenn ich mich selbst reflektiere, wird mir dann möglicherweise klar, dass mich das Verhalten meines Chefs so nervt, weil ich selber ein kreativer Freigeist bin und mich Struktur eher einengt, also für mich keinen positiven Effekt hat. Sowohl mein Chef, als auch ich würden bei einer längeren Reflexion viele Beispiele in unserem Leben finden, warum für uns Struktur bzw. Freiheit wichtige Erfolgsfaktoren sind. Versucht nun einer den anderen von seinen Erfolgsfaktoren zu überzeugen und die des anderen in Abrede zu stellen, führt das automatisch zu Wiederständen. Genau das tun wir aber.
Im Kern ist immer die Gemeinsamkeit, dass wir alle nur gemeinsam spielen wollen. Wir werden nur zum Kämpfer, weil wir unsere eigenen Regeln verteidigen wollen. Sobald wir aufhören zu versuchen, anderen unsere Spielregeln aufzuzwingen, sondern anfangen, unsere individuellen Regeln abzugleichen, um dann gemeinsame Spielregeln zu entwickeln, dann wird für beide die Zusammenarbeit nicht nur erträglicher, sondern sogar befruchtender.
Die „WOW!-Strategie“ ist Deine Lösung für gute Zusammenarbeit. Was verbirgt sich genau dahinter?
Dabei handelt es sich um ein Akronym. Das erste W steht für „Wahrnehmung“. Damit gemeint ist die Selbstreflexion darüber, was uns genau am Verhalten des Kollegen nervt und welche unserer Spielregeln und Werte er damit verletzt. Durch diesen Schritt wird aus der diffusen Wut im Bauch etwas Beschreibbares. Das gibt zum einen uns selbst ein besseres Selbstbewusstsein, weil wir uns auf einmal erklären können, woher unsere Aversion genau kommt. Zum anderen können wir durch diese Erkenntnisse dem nervigen Kollegen nachvollziehbar vermitteln, woher unsere Ablehnung kommt. Das ist die Grundlage für ein klärendes Gespräch.
Das O steht für „Offenheit“. Zum einen die Offenheit, dem Gegenüber die eigenen Spielregeln und emotionalen Reaktionen transparent zu machen. Zum anderen die Offenheit und das echte Interesse für die Spielregeln des Kollegen. Das bedeutet auch, wirklich zuzuhören, ohne zu bewerten oder zu kritisieren.
Das zweite W steht für „Wertschätzung“. Hiermit meine ich das Bewusstsein, dass jeder seine eigenen Spielregeln hat, von denen er aufgrund der persönlichen Erfahrungen überzeugt ist. Keine der Regeln ist besser oder schlechter als die des anderen, jede hat ihre Berechtigung.
Und was bedeutet das nun für die Zusammenarbeit?
Durch das WOW!-Prinzip können gemeinsame Lösungen entwickelt werden, die für beide Seiten zufriedenstellend sind. Ich weiß, jetzt könnte man denken „Herr Fischedick, Sie schauen sehr durch die rosarote Brille auf die Welt. Im echten Arbeitsleben geht so etwas nicht.“ Doch, es geht! Sie müssen nur wirklich eine gemeinsame Lösung finden wollen.
Ein Beispiel: Einer meiner Klienten war genervt, dass sein Kollege in Brainstormings immer gleich jede Idee kritisiert hat. Ihm selbst ist Kreativität wichtig. In einem Gespräch, das er auf mein Anraten mit dem Kollegen führte, fand er heraus, dass seinem Bürogenossen Sicherheit wichtig ist und er deshalb Ideen direkt darauf abklopft, ob sie überhaupt realistisch sind oder vielleicht sogar ein Risiko darstellen. Gemeinsam entwickelten sie dann die Spielregel: Am Anfang der Brainstormings ist der kritische Kollege nicht dabei, so dass ganz frei Ideen gesponnen werden können, die sich immer weiter konkretisieren und verfeinern können. Am Ende kommt dann der Kollege dazu, sozusagen als Realitätschecker. Beide Parteien waren mit dieser Lösung glücklich, da jeder weiterhin seine Werte leben konnte und sie gemeinsam sogar mehr erreichten als alleine: Kreative Ideen, die auch realisierbar waren.
Leider folgen viele heute nicht dem WOW!-Prinzip, sondern dem AUA!-Prinzip: Aggression, Unterdrückung und Arroganz.
Zum Schluss der Blick in die Glaskugel: Was glaubst Du, wie wird Zusammenarbeit in 10 Jahren aussehen?
In zehn Jahren werden dank der Digitalisierung immer mehr unserer Standard-Aufgaben von Computern und Robotern übernommen. Das bedeutet, die menschlichen Arbeitskräfte werden verstärkt in die Rolle rutschen, neue Prozesse und Ideen zu entwickeln, die dann von den Maschinen umgesetzt werden. Um in hoher Frequenz neue Konzepte zu entwickeln, braucht es eine enge kollegiale Zusammenarbeit. Gerade deshalb wird es in meinen Augen immer wichtiger, gut miteinander auszukommen, anstelle sich zu bekämpfen. Eine aktuelle Studie des McKinsey Global Institute bestätigt mich in meiner Hypothese: Die Experten prognostizieren, dass bis 2030 24 Prozent mehr soziale und emotionale Fähigkeiten von Arbeitnehmern gefordert werden als heute.
Mathias Fischedick:
Überleben unter Kollegen
Wie die Zusammenarbeit mit Nervensägen gelingt
PIPER Verlag, Oktober 2018
336 Seiten, 11,00 Euro
Bei Amazon oder Ihrem Buchhändler um die Ecke
Ab Januar 2019 als Bühnenshow auf Tour:
Überleben unter Kollegen – LIVE
Alle Tour-Termine der Show
Die Radio-Comedy täglich u.a. bei SR1
Titelbild: 123rf.com, #29986828, Sergiy Tryapitsyn
Ich lese gerne Artikel aus diesem Bereich. Allerdings finde ich diese Art des Mitschriebs nicht so toll. Aber das nur mal als allgemeine Anmerkung.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass bei den Berichten von Beratern immer nur die Extreme dargestellt werden. Das mach den Eindruck, als ob es immer so abläuft. Die Millionen von Arbeitnehmen, die entweder selber damit fertig werden und/oder sich keine Berater leisten können, werden dabei immer vergessen.
Natürlich haben Menschen Eigenarten. -Die hatten sie schon immer.- Nur waren die früheren Jahrgänge nicht so „weichgebügelt“ in ihrer Erziehung. Heute sollen ja alle zufriedengestellt werden. Alles ist toll, schön und keiner hat mehr einen Grund unfreundlich zu sein. „Wir sind alle eine große, glückliche Familie.“
Nur, so ist das Leben halt nicht. Auch heute gilt wie früher: Grenzen ziehen!
Was jetzt Diskussionen, Gespräche , etc. angeht, so liegt das größte Problem daran, dass heute einem das nicht mehr beigebracht wird. Heute wird meist nur darauf geachtet, dass jemande sich profiliert. Egal ob das, was da gesagt wird, Sinn macht oder nicht. Hauptsache, Mann/Frau stand mal im Mittelpunkt. Darum geht es aber nicht.
Auch diese Kultur des „Allenrechtmachens“ ist für mich eine Fehlentwicklung. Niemand wird es je schaffen allen gerecht zu werden. Also, warum darauf ausrichten? Es wird doch immer wieder gefordert, dass wir „Ecken und Kanten“ zeigen sollen. Wie soll das gehen, wenn wir gleichzeitig alles „abrunden“ damit sich ja keiner verletzt fühlt?
Um jetzt mal den Bogen wieder zum Bericht zu bekommen, kann ich mich nur dem Anschließen was zu Wertschätzung, Offenheit und Wahrnehmung geschrieben wurde.
Dazu würde ich noch Professionalität setzten. Ich muss nicht jeden „liebhaben“. Ich muss nur mit der Person arbeiten können. Das muss nicht auf einer persönlichen Ebene stattfinden.
Wow!!! Mit WOW wird alles besser. Tolle Sache, wenn alle guten Willens sind.
Und was mache ich mit den Kollegen und vor allem Vorgesetzten, die Notwendigkeiten NICHT wahrnehmen, für Lösungsansätze außerhalb ihrer Gewohnheitsgrenzen NICHT offen sind und weder mich als Person noch meine Arbeit wertschätzen und im schlimmsten Fall Sabotage betreiben?
Wow!!! Da stehe ich ganz schön dumm da mit WOW und kann soviel wie ich will wahrnehmen, offen sein, wertschätzen und dabei auch noch positiv und zugewandt sein. Destruktive Idioten bleiben destruktive Idioten und Du bleibst mit Deinen legitimen Bedürfnissen auf der Strecke.
„Wenn die Klügeren immer nachgeben, wird die Welt von den Deppen beherrscht.“