Unfähige Chefs? Draufhauen ist auch keine Lösung!
Ich frage mich, wie es wohl für die vielen Chefs da draußen ist, täglich in den Medien zu lesen, wie unfähig und überfordert sie doch sind und wie mies sie ihre Mitarbeiter führen. Immer wieder aufs Brot geschmiert zu bekommen, welche elementaren Kompetenzen ihnen für die Digitalisierung fehlen und was auch sie endlich erfolgreich machen könnte. Wer sich alles das zu Herzen nimmt, dem dürfte schier schwindelig werden. Kaum ein Tag vergeht ohne eine neue Studie, wie schrecklich die Realität in den Chef-Etagen aussieht. Das befeuert in einer schwierigen Zeit des Wandels rund um Digitalisierung und Industrie 4.0 nicht nur die Hilflosigkeit und Ängste der Führungskräfte selbst, auch der Graben zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern wird immer breiter.
Chefs, die Biggest Looser der Digitalisierung?
Einig sind sich alle, dass die Digitalisierung nur mit guten Chefs klappt. Unternehmensberater fordern daher: Führungskräfte müssen Marken werden und für Werte stehen. Und da immer mehr Kommunikation außerhalb von Büros stattfindet, sollte der Chef netzübergreifend authentisch sein. Schließlich können sie sich ja mit Instant Messengern wie Slack, Skype oder Google Hangouts effizient und transparent austauschen. Doch wie blöd, dass viele Chefs von digitalen Tools und Technologien überfordert sind. Und damit wird das mangelnde Wissen der Führungskräfte zum größten Hindernis bei der digitalen Transformation der deutschen Industrie. Und ganz nebenbei: Der Chef ist das größte Problem beim Datenschutz im Unternehmen. Sollten wir besser alle Chefs nach Hause schicken? Schließlich hätte ein Roboter als Chef Vorteile.
Die Unfähigkeit der Chefs ist längst auch bei den Mitarbeitern angekommen und sie sprechen es klar und deutlich aus: Hilfe, mein Chef ist eine Niete! Denn in Zeiten von Digitalisierung und Generation Y dürfte jedem klar sein, dass machtorientierte Führung ausgedient hat. Und weil die Chefs das emotionale Gejammere ihrer Mitarbeiter auch leid sind, sind Menschen in erster Linie ein Kostenfaktor und kein Vermögenswert. Wie auch, schließlich investieren Unternehmen zu wenig in Weiterbildung. Am Ende bleiben Chefs, die ihre eigene Unfähigkeit kaschieren und denen zum Dank auch noch das letzte Heiligtum, ihr eigenes Büro weggenommen wird. Arme Chefs!
Null Bock auf Chef?
Ich kann vor allem junge Menschen verstehen, die das alles lesen, dass sie Null Bock aufs Chef sein haben. Selbst dann, wenn ihnen eben noch in den Hörsälen der Unis prophezeit wurde, dass sie perfekt für das Top-Management ausgebildet sind und ihnen in Zeiten des Fachkräftemangels alle Türen offen stehen werden. Aber wenn das die Realität da draußen ist, dann doch lieber als Freelancer ins Startup, als digitaler Nomade mit Rucksack bloggend um die Welt reisen, ein paar Jahre Work & Travel in Neuseeland oder ganz hipp als Entrepreneur durchs Leben flanieren.
Ich bemerke ebenfalls bei vielen Angestellten, die schon einige Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel haben, dass selbst sie vor Führung zurückschrecken. Sie trauen es sich nicht zu. Weil sie das Gefühl haben, es nicht ausreichend gelernt zu haben und nicht auf die Rolle vorbereitet sind. Und weil sie schlichtweg nicht zum Buhmann werden und die Fronten wechseln möchten, wenn sie nicht mehr guter Kollege, sondern blöder Chef sind. Eine Außensicht auf Führung, die mich angesichts der Kompetenzen und der Persönlichkeit meines Gegenübers oftmals verwundert. „Führung? – Nein danke!“ ist eine Haltung, die mir bei Anliegen zur beruflichen Neuorientierung in letzter Zeit auffallend häufig begegnet.
Der Graben zwischen Chefs und Mitarbeitern wird immer größer
Mediales Chef-Bashing ist heute ein Klick-Garant. Ja, ich gebe zu, auch mein Artikel „5 Ansagen, die beweisen, dass Ihr Chef von gestern ist“ rangiert mit inzwischen über 175 Tsd. Aufrufen auf Platz 1 der Top-Beiträge. Solche Texte spielen der breiten Masse an frustrierten Angestellten und vermeintlichen Opfern ihrer bösen Chefs perfekt in die Karten: „Schaut her, Kollegen, auch das hier zeigt, wie schlecht unsere Chefs ihren Job beherrschen!“
Mitarbeiter erhalten die Bestätigung dafür, dass ihre Chefs unfähig, überfordert und hilflos sind. Schnell entwickeln sich Anti-Haltungen zum Chef sowie Jammerer-Koalitionen im Team. Eine gefährliche Kultur, die Zusammenarbeit in Unternehmen immer schwieriger macht. Denn der Graben zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern wird so immer größer. Für Chefs wird es schwerer, den Kontakt zu ihren Teams zu halten, geschweige denn eine gute Beziehung zu den einzelnen Mitarbeitern auf- und auszubauen.
Viele Chefs stecken heute in der Sandwich-Position zwischen Top-Management und den eigenen Mitarbeitern fest. Mit einem immer höheren Handlungsdruck, der ungefiltert in die Organisation nach unten weitergegeben wird. Mit zunehmender Erwartung von Kostensenkung und Effizienzsteigerung. Dem Wegfall von Hierarchien und damit einhergehend einer Vergrößerung der individuellen Führungsspanne. Mit dem vorhandenen Bewusstsein, dass die bisher erfolgreichen Führungsmethoden versagen, weil sie nicht nur die heutigen Werte vieler Mitarbeiter verletzen, sondern in der VUCA-Welt schlichtweg unflexibel und zu lahm sind.
Wie fühlen Sie sich als Chef und wie blicken Sie nach oben und unten?
Was glauben Sie als Mitarbeiter, wie sich Ihr Chef fühlt – und wie geht es Ihnen selbst?
Ein neuer Rahmen hängt bereits, doch das Bild neuer Führung entsteht erst langsam in den Köpfen. Was bisher gut funktionierte, führt jetzt zu Konflikten. Angestellte fühlen sich ungerecht behandelt, Anerkennung und Wertschätzung kommen in knapper Zeit zu kurz. Führung wird zum Kuschelkurs und als Schwäche ausgelegt. Alles das kommt heute noch vor. Je nach Entwicklungsstufe einer Organisation mehr oder weniger intensiv.
Doch was macht es mit Führungskräften, wenn sie lediglich wie gewohnt von oben und neuerdings auch von unten vor Augen geführt bekommen, welche Defizite sie haben und wie unfähig sie sind? Uns allen ist doch wohl klar, dass es nicht funktioniert, als Führungskraft mal eben ein paar Seminare zu besuchen und den Koffer an Methoden und Techniken auf einen aktuellen Stand zu bringen. Wie eine Maschine, auf der das Update installiert oder ein neuer Chip eingebaut wird. Oder ist dies etwa doch die Denkweise, die wir vor lauter Digitalisierungs-Getöse längst unreflektiert übernommen haben?
Führung ist verantwortungsvolles Miteinander
Viele der oben zitierten Beiträge vergessen, dass Führung Zusammenarbeit ist. Es ist zu einfach, als Mitarbeiter über den unfähigen Chef zu schimpfen, sich zurückzulehnen und auf Besserung zu hoffen. Es ist zu einfach, nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, dabei jedoch zu vergessen, dass auch dieser Finger einem Menschen gehört, der Teil des Systems ist.
Führungskräfte sind nicht allein dafür verantwortlich, dass es ihren Mitarbeitern gut geht. Denn Mitarbeiter sind keine hilflosen Kleinkinder, sondern erwachsene Menschen. Führung bedeutet Verantwortung, doch sie bedeutet im Umkehrschluss nicht die Aufgabe der Selbstverantwortung der Geführten.
Veränderung von Führung und deren Anpassung an eine veränderte Arbeitswelt erfordert vor allem eine Veränderung der eigenen Haltung als Führungskraft – und auch als Geführte. Eine Haltung als Mensch anderen Menschen gegenüber. Führung ist das Management guter Beziehungen. Kein Schema-F, sondern individuell. Ein fortlaufender, intensiver Prozess, der Selbstreflexion, gutes Feedback, ausreichend Zeit und vor allem viel Übung erfordert.
Hierbei benötigen Chefs die Unterstützung ihrer Mitarbeiter und auch ihrer eigenen Führungskräfte. Sie müssen wissen, was den einzelnen Menschen in ihren Teams wichtig ist. Wissen, woran ihre eigenen Chefs sie messen, sie selbst gemessen werden und welche Ziele sie verfolgen. Wissen, wohin das Unternehmen und seine Kultur in den nächsten Jahren entwickelt werden soll. Und nicht zuletzt vor allem das Bewusstsein, was ihnen selbst als Mensch und in der Rolle als Chef und Kollege wichtig ist.
Chefs sind auch Menschen
Chefs sind keine Hellseher und keine perfekten Maschinen. Gesunde Führung kann nur aus aktivem Miteinander erwachsen – und hierzu können alle Seiten etwas beitragen. Wenn Mitarbeiter ihren Chefs erlauben, nicht immer perfekt zu sein, auch Fehler machen zu dürfen und daran zu wachsen. Wenn sie ihrem Chef sagen, was ihnen wichtig ist, wie sie geführt werden möchten und auch, was sie stört. Wenn Chefs dies alles nicht nur zulassen, sondern aktiv einfordern.
Wenn Mitarbeiter ihre Führungskräfte nicht als feindliche Vor-Gesetzte, sondern als integralen Teil ihres Erfolgsteams anerkennen. Und wenn Chefs sich nicht über Macht und Status definieren, sondern zu Kollegen ihres Teams mit erweiterter Entscheidungs- und Handlungskompetenz werden.
Wir sind Menschen und vielen von uns sind im Beruf vor allem Anerkennung, Kollegialität und der Sinn der Arbeit wichtig. Es geht um Beziehungen. Chefs sind keine kalten Monster und Angestellte keine Arbeitsmaschinen mit Personalnummern. Alle sind Individuen mit persönlichen Schwächen und Stärken – und Emotionen.
Wenn Sie wirklich Lust auf eine gute Zusammenarbeit haben, dann achten Sie doch als Chef und auch als Mitarbeiter beim nächsten Zusammentreffen einmal darauf, ob Sie an Ihrem Gegenüber etwas entdecken können, das Sie schätzen und wofür er/sie vielleicht sogar ein bisschen liebenswert ist.
Und wenn Sie ernsthaft an einer professionellen Beziehung arbeiten möchten, dann sprechen Sie dies (und alles andere, das wichtig ist) auch aus. Und vielleicht haben Sie selbst noch weitere Ideen, was Sie dazu beitragen können, um die Zusammenarbeit in Ihrem Team ein kleines bisschen besser zu gestalten?
(Bild: gratisography.com)
Dieses Thema ist leider unergründlich und es wird immer wieder aktuell sein. Jeder Chef hat genau die gleichen Existenzängste wie jeder andere Arbeitnehmer auch.
Über die Eigenschaften, die ein „Chef“ haben muss gibt es wirklich viele Meinungen. Egal wen man da fragt, jeder hat da eine andere Vorstellung. Das geht vom verständnissvollen „Abteilungsvater“ über den rücksichtslosen „Kariereleiterkletterer“ bis zum „Führer“. Daher gehe ich auf die Führungsarten jetzt nicht ein. Das wurde und wird immer wieder besprochen.
Eins scheint mir allerdings eine Erkenntnis zu sein, kaum ein Chef ist auf seine Rolle vorbereitet. Ich habe bei den meisten Chefs immer das Gefühl gehabt, dass da ein Vorgesetzte irgendwann auf die Idee gekommen ist einen seiner Untergebenen (wenn man das heute noch so bezeichnen darf) einfach zu befördern. Frei nach den Motte:“Nun bist du Chef. Friss oder sterbe.“
Keine schöne Methode.
Früher einmal gab es die schöne Art, dass man sich seinen Nachfolger heranzog. Irgendwie ist das wohl verloren gegangen in unserer Zeit der schnellen Entscheidungen. Und wer glaubt, dass ein Studium Praxiserfahrung vermittelt oder darauf vorbereitet, der hat schon langen nichts mehr mit dem deutschen Schulsystem zu tun gehabt.
Wir haben es hier mit einer massiven Verunsicherung der Chefs zu tun. Wir kopieren seit den sechziger Jahren nur noch Methoden, die aus den USA, Japan und wer weiß noch woher kommen. Das ist ja nicht falsch, wenn wir sie an unsere Kultur anpassen würden. Nur, was machen wir? Wir kopieren die Methoden 1 zu 1 und, weil wir konservativ sind, erst nach 10 Jahren. -Denn man will ja sicher sein, dass die auch was bringen.- Fazit: Keiner nimmt diese Methoden für voll und weil sich bei den Vorreitern bereits die Grenzen der „neuen“ Methoden gezeigt haben, sind die dort längst überholt wenn wir die gerade erst einführen.
Was soll ein Mitarbeiter also von seinem Chef halten, wenn der mit uralten Methoden als neu ankommt, wenn der Mitarbeiter selber sich auf dem Laufenden hält?
Was deutsche Chefs und deren Mitarbeiter benötigen ist ein deutscher Weg (nicht nationalistisch gemeint). Wir müssen uns wieder zu eigen machen, was die Asiaten uns vorgemacht haben und noch immer machen.
Methoden aufnehmen, Gutes integrieren, Schlechtes weglassen, das Ganze an unser kulturelles Umfeld anpassen und dann zeitnah einführen.
Alles Andere ist Zeit- und Geldverschwendung, schwächt die Position der Führungskräfte und führt nur zu Verunsicherung von Allen.