Vertrauen im Job: 5 Tipps, wie Sie echtes Vertrauen verschenken
Jemandem sein Vertrauen schenken, heißt es. Doch im Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitern sowie unter Kollegen gleicht Vertrauen heute oftmals mehr einer Mogelpackung als einem echten Geschenk. Misstrauen, Angst und Kontrolle bestimmen trotz angeblicher Vertrauenskultur weite Teile des Berufsalltags. Was Vertrauen mit Geschenken zu tun hat und was Sie als Führungskraft oder als Mitarbeiter unter Kollegen tun können, damit Vertrauen nicht nur eine Mogelpackung ist, sondern zum echten Geschenk wird.
Vertrauen: Echtes Geschenk oder Mogelpackung?
Angestellte wünschen sich mehr Freiräume im Beruf, besonders die jungen Generationen. Ihr Chef soll ihnen vertrauen, dass sie eine übertragene Aufgabe auf ihre Art und Weise erledigen und sie nicht pausenlos kontrollieren. Hinter Vertrauen steckt für viele im Job Sicherheit, Zugehörigkeit, Kollegialität, Hilfsbereitschaft und gegenseitige Wertschätzung. Vertrauen ist die Basis für eine effiziente Zusammenarbeit im Team, Misstrauen hingegen bedeutet kritische Beobachtung von Verhalten, Kontrolle und kostet Ressourcen.
Wie ist es um die Vertrauenskultur in deutschen Unternehmen bestellt? Ich erlebe im Coaching Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern das Vertrauen aussprechen, doch spätestens im Konfliktfall oder unter Druck autoritär durchgreifen und ihre Eigeninteressen verfolgen. Ich erlebe Angestellte, die im Spießroutenlauf Kollegen oder ihren Chef meiden, Informationen bewusst vorenthalten und sich selbst am nächsten sind. Das ganze Spektrum der fiesen Büro-Krankheiten: Von Machtspielchen über Intrigen bis hin zu öffentlichen Schuldzuweisungen.
Gilt bei Ihnen auch eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit? Wenn ja, wie viel Vertrauen herrscht wirklich oder müssen Sie sich doch erklären, wenn Sie morgens zum Arzt gehen und die Stunde am Abend dranhängen? Arbeiten Sie im Home-Office und müssen Sie auch Excel-Listen als Nachweis Ihrer Aktivitäten pflegen? Das alles ist heute Vertrauen fein verpackt in einer Mogelpackung.
Ich sehe es als Gefahr in unserer schneller und komplexer werdenden Arbeitswelt an, dass Vertrauen als gute Beziehung zwischen Menschen in Unternehmen immer öfter zur Mogelpackung wird. Zu einer gut klingenden Worthülse ohne echtes Erlebnis. Ein nett verpacktes Geschenk, das sich nach Öffnen der bunten Verpackung als Nullnummer oder sogar als Misstrauen und Kontrolle entpuppt.
Vertrauen schenken, heißt es. Was also macht Vertrauen im Job zu einem echten Geschenk?
Geschenke müssen dem Empfänger gefallen
Neulich nach einem Vortrag vor Führungskräften fragte mich eine Teilnehmerin, wie man es schaffe, dass ein Mitarbeiter im Team mehr Verantwortung übernimmt. Ich fragte sie, ob sie sich denn überhaupt sicher sei, dass dieser Mitarbeiter die Verantwortung auch wirklich übernehmen möchte? – Sie kam ins Nachdenken.
Übertragene Verantwortung und auch das dahinter liegende Vertrauen sind nichts, was einfach zu verordnen ist. Es funktioniert nur, wenn beide Seiten es auch wirklich wollen und es für sie attraktiv ist. Manchen Mitarbeitern macht mehr Verantwortung Angst und überfordert sie. Oftmals auch, weil sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit geschenktem Vertrauen und Übernahme von Verantwortung gemacht haben, etwa wenn es zu Fehlern gekommen ist.
Vertrauen schenken funktioniert nur, wenn es auf der anderen Seite als echtes Geschenk bewertet wird. Vertrauen nicht als leere Worthülse oder gar Bedrohung, sondern als ernst gemeinte Wertschätzung.
Sehen Sie als Führungskraft oder unter Kollegen bewusst hin, ob die Person, der Sie Ihr Vertrauen schenken möchten, dies auch tatsächlich als Geschenk wahrnimmt, es annehmen möchte und es zu schätzen weiß.
Geschenke sind Ausdruck von Wertschätzung
Mal angenommen, Ihr Chef ist so sehr überlastet, dass er sich überlegt, Sie bei einer zu erledigenden Aufgabe einfach mal machen zu lassen. Vielleicht denkt er sich „Ich kann mich darum nicht auch noch kümmern.“ oder „Da kann ja eh nicht viel passieren.“ Aus dieser Motivation heraus schenkt er Ihnen sein Vertrauen. Kein Ausdruck von echter Wertschätzung, oder?
Jemandem sein Vertrauen schenken ist eine Entscheidung auf Zeit und damit mehr als eine fixe Idee aus der Not oder einer Laune heraus. Kommt es beim Gegenüber nicht wertschätzend an, so ist die Gefahr groß, dass übertragenes Vertrauen entwertet und sogar als negatives Erlebnis empfunden und für die Zukunft abgespeichert wird.
Vertrauen ohne Wertschätzung ist wie ein Geschenk, das unbeachtet verpackt in der Ecke vergammelt. Verschenken Sie Vertrauen bewusst und seien Sie sich auch der damit verbundenen Pflichten und Konsequenzen dieses Geschenkes bewusst, denn …
Geschenkt ist geschenkt!
Wie würden Sie reagieren, wenn Sie zum Geburtstag ein Geschenk bekommen und es der Gratulant anschließend wieder mitnimmt?
Es ist an der Tagesordnung im Job-Alltag, dass einmal verschenktes Vertrauen über kurz oder lang wieder eingezogen wird. Achten Sie als Führungskraft oder unter Kollegen einmal bewusst darauf und Sie werden erschrocken sein, wie häufig es geschieht.
Wenn Verantwortung wirklich ein Geschenk ist, dann gehört es sich nicht, den Beschenkten es auspacken und bewundern zu lassen und es im nächsten Moment wieder aus dessen Händen zu reißen – immer vorausgesetzt, das Vertrauen wurde vom Beschenkten nicht beschädigt.
Verschenktes Vertrauen verpflichtet. Als Führungskraft zerstören Sie Vertrauen, wenn Sie Ihren Mitarbeitern erst signalisieren, dass Sie in ihre Lösungsfindungskompetenz vertrauen und sie machen lassen, am Ende jedoch deren Vorschläge mit „Das hatte ich mir aber anders vorgestellt!“ oder „So geht das nicht!“ pauschal zunichte machen.
Neulich hatte ich drüben auf XING über „Sie sollen arbeiten, nicht denken!“ geschrieben. Wenn es das ist, was Mitarbeiter bei ihrer Arbeit empfinden, dann vermute ich, dass hier in der Vergangenheit verschenktes Vertrauen regelmäßig im Keim erstickt wurde.
So schenken Sie echtes Vertrauen im Job
1. Vertrauen ist ein Vorschussgeschäft
Am Anfang jeder zwischenmenschlichen Beziehung existiert ein Vertrauensvorschuss. Unser Vertrauen zu Menschen wächst, wenn wir mit ihnen keine schlechten Erfahrungen machen. Freundliche, wertschätzende Kommunikation wirkt zusätzlich vertrauensbildend. Vertrauen funktioniert nicht auf der Basis „Wie Du mir – so ich Dir.“ Nutzen Sie den natürlichen Vertrauensvorschuss, um Vertrauen aktiv zu stärken.
2. Vertrauen entsteht durch verlässliche Erfahrungen
Sprechen Sie nicht nur über Vertrauen oder schreiben es auf Ihre Webseiten, sondern machen Sie Vertrauen erlebbar. Was ist Ihre Antwort auf die Frage, woran Ihre Mitarbeiter oder Kollegen bemerken, dass Sie ihnen wirklich vertrauen? Wie zeigt sich Vertrauen im Alltag? Was können Sie jeden Tag bewusst tun, um Misstrauen nicht zu befeuern, sondern Vertrauen zu stärken?
3. Vertrauen entsteht nur über Zeit
Es reicht nicht, Ihren Mitarbeitern einmal jährlich im Beurteilungsgespräch das Vertrauen auszusprechen. Als Führungskraft sowie auch als Mitarbeiter unter Kollegen schaffen Sie Vertrauen, indem Sie Ihr Denken und Handeln bewusst und allgegenwärtig darauf ausrichten. Oft ist es ein erster Schritt, bewusst Handlungen zu unterlassen, die Misstrauen, Angst oder das Gefühl von zu starker Kontrolle hervorrufen.
4. Vertrauen wächst in schwierigen Situationen
Vertrauen ist mehr als Vertrautheit. Als Chef immer nett zu sein und damit zu hoffen, Vertrauen aufzubauen, ist ein Irrglaube. Vertrauen ist die Gewissheit, sich aufeinander verlassen zu können. Dieses Gefühl resultiert nicht aus Kuschelkurs-Führung, sondern aus Erfahrungen in schwierigen Situationen. Besonders dann, wenn es um gegensätzliche Interessen oder das eigene Ansehen geht.
Vertrauen wächst im Konfliktfall durch Klarheit in der Positionierung sowie dem Willen, den Konflikt gemeinsam zu lösen. Beziehen Sie als Führungskraft klar Stellung anstatt Harmonie bedürftig es allen Recht machen zu wollen. Seien Sie nicht Fähnchen im Wind, sondern berechenbar. Vertrauen erwächst aus Klarheit.
5. Vertrauen erfordert Offenheit
„Dem Management darf man nicht trauen!“ oder „Alle Chefs halten Versprechungen nicht ein.“ sind vermeintliche Wahrheiten, vielleicht auf der Basis von pauschalisierten Erfahrungen oder Konflikten in Form von Altlasten. Nur weil Sie ein Kollege früher gemobbt hat, kann es durchaus im neuen Job auch nette Kollegen geben. Nur weil Ihr letzter Chef ein Idiot war, sind nicht alle Chefs unfähig. Achten Sie bewusst darauf, dass schlechte Erfahrungen nicht bereits zum Verlust des Vertrauensvorschusses führen, sondern seien Sie offen für neue Begegnungen und geben Sie sich und anderen Menschen die Chance, sich echt kennenzulernen.
Vertrauen ist das Erleben persönlicher Haltung
Vertrauen und die Vertrauenskultur in Organisationen sind etwas Individuelles. Es gibt hierfür weder einen programmierbaren An-Aus-Schalter, noch ein allgemeingültiges Rezept. Vertrauen ist abhängig vom jeweiligen Umfeld sowie dem darin herrschenden Menschenbild, der Führung und Art der Kommunikation sowie dem Entwicklungsstand einer Organisation.
Finden Sie Ihren eigenen Weg und die für Sie und Ihr Umfeld richtige Haltung, um Vertrauen zu den Menschen in Ihrem Umfeld aufzubauen sowie als Gemeinschaft daran zu arbeiten, eine wertschätzende Vertrauenskultur zu etablieren und zu pflegen.
(Bild: 123rf.com, #49815562, Nonwarit Pruetisirirot)
Selten dass ich mich mal zu Wort melde im Web. Dieser Artikel ist sehr wertvoll und ich hoffe, dass ihn viele finden werden.
Lieber Bernd,
ein toller und inspirierender Artikel zu diesem vielschichtigen Thema. Mir gefällt der Blickwinkel, den du wählst: Vertrauen als „echtes Geschenk“ – in eine wohlwollenden Haltung und mit allen Konsequenzen.
Gerade im Arbeitsalltag beobachte ich, dass Menschen gerne die Annehmlichkeiten von Vertrauen nutzen, nicht aber bereit sind, auch mit den Konsequenzen zu leben, die Vertrauen von Natur aus mit sich bringt. Führungskräfte wollen Aufgaben „im Vertrauen“ übertragen, um sich anderen Dingen zu widmen. Dabei vergessen sie häufig, dass das Übergeben von Vertrauen nicht bedeutet, auch die Verantwortung abzugeben. Mitarbeiter geben an, ihrem Vorgesetzten zu vertrauen. Handelt dieser allerdings anders, als sie sich das vorgestellt haben, bezeichnen sie es als Vertrauensbruch.
Hier liegt in meinen Augen ein Missverständnis vor: Vertrauen ist eine Entscheidung. Die Verantwortung für diese Entscheidung tragen wir selbst, und niemand anders. Werden wir enttäuscht, weil unsere Erwartungen nicht erfüllt werden, tragen wir somit auch immer eine Teilverantwortung an den Konsequenzen. Wut, Ärger, Enttäuschung und Traurigkeit gehen somit auch immer ein Stück weit auf unser Konto. Das zu verinnerlichen, und bedachter mit dem Geschenk Vertrauen umgehen, ist die beste Prävention gegen Enttäuschungen und Verletzungen. Das ist auch das Ergebnis aus mehr als 150 Interviews mit Menschen auf der ganzen Welt, die ich in den vergangenen 6 Monaten geführt habe.
Und dieser bedachte Umgang mit Vertrauen geht, wie du schreibst, nur in einer wohlwollenden, zuversichtlichen Haltung und wenn bereit sind mit den Konsequenzen zu leben.
Ich danke dir für die wertvolle Inspiration. Ein rundum gelungener Artikel!
Lieben Gruß
Eva
Lieber Herr Slaghuis,
vielen Dank für die Inspiration zum Thema Vertrauen.
Ich habe dieses Thema quasi zu meiner MISSION gemacht.
Ich bin Autorin und Personal Coach für Vertrauens-Marketing.
Meine MISSION: Wir glauben, dass Menschen mehr Vertrauen brauchen.
Es gibt viel zu wenig Vertrauen auf der Welt.
Ich denke, wenn wir Vertrauen geben als Geschenk betrachten, dann ist der Gedankengang dahinter:
„Ich muss mir aber jetzt auch ganz genau überlegen, ob das Sinn macht und ob diese Person das auch verdient!“.
Warum nicht auch einmal spontan (ohne Hintergedanken und ohne viel zu überlegen) einer Person, die wir spontan sympathisch finden, das Vertrauen schenken?
Das genau macht doch Vertrauen aus … spontanes Handeln … dass die andere Person das Gefühl bekommt: „Oh, wie schön, diese Person prüft mich nicht stundenlang, ob ich es auch wirklich wert bin ..“
Spontaneität und offen sein für andere, das ist doch viel schöner …
Das erlebe ich immer wieder in anderen Kulturen (wir reisen viel .. da erfährt man auch viel über Vertrauen) … diese Offenheit und Spontaneität, das ist das was wir Deutschen noch etwas lernen müssen … das können wir nicht so … leider …
In anderen Kulturen wird meist nicht stundenlang geprüft, ob man Vertrauen verdient .. man gibt es einfach und zeigt sich offen.
Sie sagen: „Verschenken Sie Vertrauen bewusst und seien Sie sich auch der damit verbundenen Pflichten und Konsequenzen dieses Geschenkes bewusst, …“
Man muss sich nicht immer „bewusst werden“, warum man etwas tut …
Vertrauensvolle Grüße
Karin Sebelin