Verhalten im Vorstellungsgespräch: 5 Wortspiele für mehr Gelassenheit
Vorstellungsgespräche empfinden viele Bewerber als stressig und hohe Hürde, schließlich ist es keine Alltagssituation und es geht um viel. Ihr Verhalten wird geprägt von der Angst vor fiesen Fangfragen, Fettnäpfchen und vermeintlichen No-Gos sowie dem Anspruch, krampfhaft gefallen zu müssen. Im Coaching nehme ich häufig wahr, dass Bewerber sehr einseitig auf das persönliche Treffen mit ihrem neuen Arbeitgeber schauen. Sie übersehen, was auch für sie Wertvolles in „Vorstellungsgespräch“ steckt. Hier sind 5 Wortspiele, die Ihre eigene Perspektive auf und Ihr Verhalten im Vorstellungsgespräch grundlegend verändern werden:
1| Vorstellungsgespräch: Das gute Gespräch
Ich starte bei meiner Wortspielerei mit einer wenig überraschenden Erkenntnis, doch selbst diese Tatsache vergessen sehr viele Bewerber vor lauter Anspannung: Das Vorstellungsgespräch ist ein Gespräch. Ja, in Vorstellungsgespräch steckt zu 50 Prozent „Gespräch“, doch die meisten dieser Gespräche sind heute auswendig gelernte Monologe von Bewerbern oder einseitige Interviews von Personalern. Ein gutes Gespräch als Dialog auf Augenhöhe führen beide Seiten nur sehr selten. Schade eigentlich, denn sie hätten sich doch so viel zu sagen – und auch zu fragen.
Als Bewerber denken Sie womöglich jetzt „Naja, ich habe keine Wahl!“, doch dies ist ein Irrtum! Falls Sie wieder einmal das Gefühl haben, auf der Anklagebank zu sitzen oder sich wie in der harten Schulprüfung fühlen und Ihr einziger Job darin besteht, pflichtbewusst auf abgefeuerte Fragen auf den Punkt zu antworten, dann sollten Sie versuchen, aus der Prüfung ein gutes Gespräch zu machen.
Sie haben es mit in der Hand und können mit Ihren Reaktionen, Antworten und Fragen dafür sorgen, dass es doch noch ein Gespräch wird. Indem Sie sachlich ansprechen, wie Sie die Situation wahrnehmen, wie Sie sich dabei fühlen, warum es Ihnen wichtig ist, ein echtes Gespräch zu führen und was Sie sich für den Rest des Termins wünschen. Oder indem Sie ganz bewusst aus dem braven Antwort-Modus umschalten und aktiv Fragen zum aktuellen Gesprächsthema stellen. Bekommen Sie ein „Wir stellen hier die Fragen!“ zu hören, sollten Sie sich spätestens jetzt überlegen, ob es wirklich Ihr neuer Arbeitgeber ist.
Und falls Sie hier als Recruiter oder Chef mitlesen, dann probieren Sie doch einmal aus, wie sich ein Vorstellungsgespräch als echtes Gespräch anfühlt. Ohne Schema-F-Fragen, künstlichen Stress und abseits starrer Prozess-Standards, sondern mit echtem Interesse als Mensch einem anderen Menschen gegenüber. Es kann so leicht sein, einen Kandidaten als Menschen mit seinen Stärken und Talenten sowie Ecken und Kanten wirklich kennenzulernen.
2| Vorstellungsgespräch: Die gegenseitige Vorstellung
Weiter geht’s mit den vorderen 50 Prozent in „Vorstellungsgespräch“: Es geht um die Vorstellung – und zwar um die gegenseitige Vorstellung. Was in meiner Wahrnehmung heute oft noch zu kurz kommt, ist die persönliche Vorstellung der Gesprächspartner. Alle Bewerber rechnen mit „Erzählen Sie doch mal etwas von sich“ und können gut vorbereitet ihren Lebenslauf aufsagen, doch sie erfahren nur selten mehr als die Namen und Positionen der Personen, die ihnen im Gespräch gegenüber sitzen. Der Fokus von „Vorstellung“ liegt meist auf Bewerberseite, dabei ist es für sie ebenso interessant, mehr über den zukünftigen Chef oder die Kollegen im Team zu erfahren.
Mein Impuls an beide Seiten: Nutzen Sie ein Vorstellungsgespräch, um sich gegenseitig persönlich vorzustellen. Sprechen Sie als Personaler oder Chef über Ihren Werdegang, die aktuellen Funktionen und Aufgaben im Unternehmen, die Schnittstellen zu Kollegen aus anderen Teams, Ihre Haltung als Mitarbeiter/in oder Führungskraft und über alles das, was Ihnen im Beruf und vielleicht auch im Leben besonders wichtig ist.
Sprechen Sie als Bewerber über Ihre persönlichen Stärken, Werte im Beruf und wichtigsten Ziele für die nächsten Jahre – und vielleicht möchten Sie auch einen Einblick in Ihr Privatleben geben? Auch hier haben Sie es in der Hand, wieviel Sie von Ihrem Gegenüber erfahren und selbst über sich preisgeben möchten. Schließlich geht es bei der Entscheidung auf beiden Seiten nicht nur um sachlich fachliche, sondern am Ende vor allem um zwischenmenschliche Passung.
3| Vorstellungsgespräch: Keine Schauspielvorstellung!
Apropos „Vorstellung“ – manchmal habe ich den Verdacht, das Vorstellungsgespräch verwandelt sich immer mehr zur Zirkusmanege oder bühnenreifen Schauspielvorstellung. Nein, so ist „Vorstellung“ bitte nicht gemeint! Es geht weder darum, als Bewerber gekonnt durch den brennenden Reifen zu springen, noch als Arbeitgeber das einstudierte Schauspiel in drei Akten zu veranstalten.
Es geht um ein echtes Kennenlernen auf beiden Seiten, um ehrliche und spontane Momente in der Situation statt auswendig gelernter Dialoge, einstudierte Körpersprache und definierte Prozess-Standards. Kein braves Parieren auf Anweisung, kein lustiges Clown-Spiel, kein waghalsiger Hochseilakt und keine wilden Raubtiere in der Manege. Auch wenn ich kein Fan des Begriffs „Authentizität“ bin, sollten sich beide Seiten im Vorstellungsgespräch so begegnen, wie sie in ihrer jeweiligen Rolle professionell echt, respektvoll wertschätzend und damit glaubhaft sind.
Haben Sie das Gefühl, als Gast inmitten einer Vorstellung zu sitzen, dann beenden Sie das Schauspiel, indem Sie es thematisieren. Ermutigen Sie als Recruiter Bewerber, aus ihrer einstudierten Rolle zu schlüpfen und sich von ihrer echten Seite zeigen zu dürfen. Und machen Sie ebenso als Bewerber im Gespräch klar, dass Sie keine Floskeln aus Hochglanzbroschüren zum Unternehmen interessieren, sondern wirklich erfahren möchten, was hinter einer Stelle steckt, woran Ihr Erfolg gemessen wird und wie das Team tickt.
4| Vorstellungsgespräch: Der Austausch von Vorstellungen
Achtung, jetzt wird es spannend mit meiner Wortspielerei. Denn gute Vorstellungsgespräche sollten immer ein gegenseitiger Austausch über Vorstellungen sein. Arbeitgeber, die klar über ihre Vorstellung von einem passenden neuen Mitarbeiter für die zu besetzende Position und das Team sprechen. Bewerber, die ihre Vorstellung über ihre berufliche Zukunft, das zu ihnen passende Arbeitsumfeld, die Art der Führung und über alles andere kundtun, was ihnen im Beruf in Zukunft wichtig ist.
Ich nehme wahr, dass in Vorstellungsgesprächen heute zu wenig über Vorstellungen gesprochen wird. Arbeitgeber prüfen Fachwissen und Berufserfahrung, machen Persönlichkeitstests, doch haben oft keine Vorstellung davon, was einem Kandidaten wirklich wichtig ist und er oder sie benötigt, um später in der Position sowie im Team motiviert, leistungsfähig und zufrieden zu sein. Auf der anderen Seite trauen sich viele Bewerber nicht, über ihre Erwartungshaltung als Vorstellung über die Zukunft zu sprechen.
Wann sonst als im Gespräch können beide Seiten erkennen, ob ihre Vorstellungen zueinander passen und sie eine gute gemeinsame Zukunft haben? Wer sich über seine Vorstellungen austauscht und Klarheit schafft, der vermeidet unliebsame Überraschungen in Zukunft.
5| Vorstellungsgespräch: Das Gespräch vor der Anstellung
Das Vorstellungsgespräch als Vor-(An-/Ein-)stellungs-Gespräch. Tricky, was? Mit diesem letzten Wortspiel möchte ich zum Ausdruck bringen, dass jedes Vorstellungsgespräch die – womöglich letzte – Chance vor einer vertraglichen Ein- bzw. Anstellung ist, alle Fragen zu klären. Beiderseitig so viel Sicherheit wie erforderlich zu schaffen, um eine gute Entscheidung für oder gegen eine gemeinsame Zukunft zu treffen.
Klären Sie – vor allem als Bewerber, was Ihnen wichtig ist. Es wäre doch allzu ärgerlich, nach den ersten Wochen beim neuen Arbeitgeber zu erkennen, dass Sie mit dem Chef niemals warm werden oder sich der vermeintliche Traumjob in der Realität als Höllentrip für Sie erweist. Wer möchte schon in der Probezeit die betriebliche Scheidung einreichen und die lästige Suche von Neuem beginnen? Nutzen Sie das Vorstellungsgespräch beide, um vor der Anstellung miteinander ausreichend übereinander zu sprechen.
Überlegen Sie sich als Bewerber im Vorfeld des ersten Vorstellungsgesprächs, welche Themen Ihnen wichtig sind, welche Informationen Sie benötigen und welche Fragen hierzu passen, um im besten Fall später mit Sicherheit und guten Gewissens einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Oft werden bis dahin zwei und mehr Gespräche geführt, priorisieren Sie Ihre Fragen entsprechend. Fragen etwa nach Gehalt, Arbeitszeiten und Urlaubsansprüchen machen sich nicht gut zu Beginn des ersten Vorstellungsgesprächs, diese sollten Sie sich für das Ende oder sogar erst für ein zweites Gespräch aufheben. Erstellen Sie als Vorbereitung eine Liste mit Ihren wichtigsten zu klärenden Punkten und legen Sie fest, was Sie im ersten Termin klären möchten und was Zeit bis zum nächsten Gespräch hat.
Ach ja, auch als Bewerber dürfen Sie die Aufzeichnungen mit Ihren Fragen ins Gespräch mitnehmen und vor sich auf den Tisch legen – das macht die andere Seite ja auch. Was spricht schließlich dagegen, zu zeigen, dass Sie sich vor dem Vorstellungsgespräch Gedanken gemacht haben?
Ich wünsche Ihnen gute Gespräche – aus welcher Perspektive Sie als Bewerber, Recruiter oder Führungskraft auch in diesem Moment auf Ihr nächstes Vorstellungsgespräch blicken.
Wie erleben Sie als Jobwechsler/in oder Personaler/in Bewerbungsgespräche heute und was steckt für Sie noch Wichtiges im „Vorstellungsgespräch“? Ich freue mich über Ihren Kommentar!
(Titelbild: 123rf.com, #95428004, Roman Samborskyi)
Auch, wenn es eigentlich Wiederholungen von bereits zu anderen Gelegenheiten von Ihnen beschriebenen Vorgehensweisen und Appellen sind, nicht weniger zutreffend!
Das Wortspiel kann einem das schon ggf. besser im Gedächnis halten.
Daher eine gelungene Wiederholung.
Wenn ich Anschreiben verfasse, ende ich meist mit der Aussage, dass wir uns gerne über Vorstellungen, Wünsche und Aufgabenstellungen austauschen können. Und das versuche ich dann auch.
Aber in einem muss ich wiedersprechen, dass Vorstellungsgespräch, auch wenn es nur eins gibt, ist nicht der letzte Moment um etwas zu klären. Dieser Moment ist die Übergabe des Arbeitsvertrages. Dann müssen die letzten Punkte besprochen werden.
Trotzdem lernt man die Personen mit denen man dann auch arbeiten muss erst richtig in der Probezeit kennen. Und es sollte sich niemand scheuen, ggf. dann schon einen Schlußstrich zu ziehen, wenn es doch nicht passt. Nach meiner Erfahrung wird es selten besser.