Mein Chef sieht mich nicht! So öffnen Sie ihm die Augen
Haben Sie manchmal das Gefühl, Ihr Chef ist in einer anderen Sphäre unterwegs? Er konzipiert, knüpft strategische Kontakte, treibt sich den ganzen Tag in Meetings herum und bespricht sich mit Seinesgleichen? Und Sie bleiben dabei auf der Strecke! Er hat kaum Zeit für Sie und sieht Ihre Leistungen nicht. Ihnen fehlt die Anerkennung und Sie würden sich freuen, wenn Sie Ihren Chef häufiger zu Gesicht bekämen, um wichtige Fragen zu klären. Außerdem soll er ja dafür sorgen, dass Sie irgendwann den nächsten Karriereschritt gehen. Nur wie, wenn er Sie so gar nicht auf dem Schirm hat? Jetzt können Sie jammern und sich über die Blindheit Ihres Vorgesetzten weiter wundern. Oder Sie werden selbst aktiv. Für diesen Fall habe ich hier einige Ideen für Sie, wie Sie Ihrem Chef (oder auch Ihrer Chefin) wieder die Augen öffnen.
Moment mal! Wer ist denn hier der Chef?
„Wie bitte?! Meinem Chef die Augen öffnen? – Dafür werde ich ganz sicher nicht bezahlt!“ – Oder was geht Ihnen in diesem Augenblick durch den Kopf?
Wenn Sie so denken und fühlen, dann stecken Sie womöglich in der Opfer-Falle: „Ich bin ja nur der/die kleine Angestellte und habe doch eh nichts zu melden. Ein unwichtiges Zahnrad im großen Getriebe. Ich soll ja nur brav Anweisungen befolgen. Jede Kritik wäre zwecklos und wenn, dann gelte ich als frech oder unbequem und am Ende kassiere ich für meine Aufmüpfigkeit auch noch eine Abmahnung vom bösen Chef.“
Ja, wenn es Ihnen zu heiß ist, an diesem Zustand etwas zu verändern, dann lassen Sie es, machen weiter wie bisher, halten es mit Ihrem blinden Chef irgendwie aus. Oder (Achtung Spaßmodus!) Sie folgen den populären Rezepten bei Chef-Blindheit und kleiden sich auffälliger, laden einfach ungefragt Ihre Arbeit auf seinem Tisch ab und bombardieren ihn hartnäckig mit Terminanfragen, dass er gar nicht anders kann, als Sie endlich zu beachten. Wenn Sie erst so richtig lästig für ihn sind, dann muss er Sie beachten ;-)
Falls dies für Sie keine Alternative ist, Sie eigentlich sonst glücklich mit Ihrem Job sind und sich daher nicht auf die Suche nach einem neuen Chef begeben möchten, dann sollten Sie aufhören, ohnmächtig auf plötzliche Hellsichtigkeit Ihres Bosses zu hoffen und stattdessen selbst aktiv werden.
Und Sie? – Öffnen Sie zuerst Ihre eigenen Augen
Bevor Sie Ihrem Chef die Augenbinde vom Kopf reißen, sollten Sie zunächst bei sich selbst besser hinsehen. Wenn Sie schon meine Beiträge zu den Kollegenschweinen, Gedankenlesern und Beziehungskillern im Job verfolgt haben, dann ist Ihnen wahrscheinlich aufgefallen, dass ich es wichtig finde, sich bei zwischenmenschlichen Konflikten zunächst an die eigene Nase zu fassen. Ich erlebe oft, dass das von Mitarbeitern verurteilte Verhalten ihres Chefs ein Spiegel oder die Reaktion auf das eigene Verhalten ist. Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie eine Idee, was Ihr Anteil daran (gewesen) sein könnte, dass sich Ihr Chef so verhält, wie Sie ihn heute wahrnehmen?
Auch die folgenden Fragen können Ihnen helfen, selbst klarer in dieser Situation zu sehen: Warum denken Sie, dass Ihr Chef Sie nicht sieht? Woran machen Sie das heute konkret fest und stimmt das wirklich? Wie ist es im Vergleich zu Ihren KollegInnen? Hat Ihr Chef Sie früher schon einmal mehr beachtet und wenn ja, haben vielleicht auch Sie sich in dieser Zeit anders verhalten?
Und auch dies hier sollten Sie kritisch hinterfragen: Warum ist es Ihnen überhaupt so wichtig, dass Ihr Chef Sie mehr im Fokus hat? Ich kenne Angestellte, die heilfroh wären, wenn sie mehr in Ruhe gelassen würden. Warum stört Sie die scheinbare Blindheit Ihrer Führungskraft? Welcher Ihrer Werte wird hierdurch verletzt? Sind Ihnen Anerkennung oder Wertschätzung extrem wichtig und das kommt heute viel zu kurz? Oder geht es um Aufstieg, Wettbewerb mit Kollegen oder Status? Oder wünschen Sie sich einen Chef als Vorbild, von dem Sie viel lernen möchten? Also: Was steckt wirklich hinter Ihrem Wunsch, dass Ihr Chef endlich wieder stärker ein Auge auf Sie wirft?
Zwei Menschen, zwei Perspektiven
Ihr Chef ist der Chef, weil er andere Themen im Visier hat als Sie. Auch wenn Sie und Ihr Chef im Idealfall identische Unternehmensziele verfolgen, arbeiten Sie daran auf unterschiedlichen Ebenen. Sie sind stärker mit dem operativen Geschäft beschäftigt, Ihr Chef sollte hingegen eher das große Ganze im Blick haben.
Es ist ganz normal und auch richtig, dass Ihr Chef und Sie aus unterschiedlichen Perspektiven nicht nur auf Themen, sondern auch auf das jeweilige Umfeld im Unternehmen blicken. Stellen Sie sich vor, Ihre Brille hat grüne und die Ihres Chefs hat rote Gläser. Sie sehen das Gleiche, aber nehmen es unterschiedlich wahr. Vielleicht sehen Sie sogar wichtige rote Dinge, die Ihr Chef durch seine roten Gläser nicht sieht, er jedoch dafür die grünen, die Ihnen verborgen bleiben.
Möglicherweise ist Ihr Chef gar nicht so blind wie Sie glauben und nimmt Sie sehr wohl wahr. Vielleicht gibt es jedoch andere Dinge, die er durch seine Brille stärker sieht. Insbesondere dann, wenn Ihr Chef viele Mitarbeiter hat und Sie eines seiner besten Pferdchen im Stall sind, wird er sich stärker auf solche Ihrer Kollegen fokussieren, die er enger führen muss. Ich sage nicht, dass dies ein gutes Führungsverhalten ist, aber es könnte eine Erklärung für Ihre Wahrnehmung sein.
Mein Tipp: Versuchen Sie, die Perspektive zu wechseln und überlegen Sie sich, welche „Brille“ Ihr Chef in bestimmten Situationen trägt und was bzw. wen er dadurch sieht – und auch sehen muss, damit er selbst einen guten Job macht. Bevor Sie Ihren Chef als „blinde Kuh“ abstempeln und sein Verhalten Ihnen gegenüber verurteilen, stellen Sie sich selbst einmal die Frage: Warum verhält er/sie sich so und könnte es sogar sein, dass dieses Verhalten auch etwas Positives für Sie hat?
Führung ist keine Einbahnstraße
Keine Frage, im Wort „Personalverantwortung“ steckt Verantwortung drin. Ihr Chef trägt Verantwortung und hat die Aufgabe, Sie gut zu führen, zu motivieren und für Ihre Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen. Er sollte die Richtung vorgeben und Ihnen sagen, was Sie (wie) bis wann zu tun haben. Er verlässt sich darauf, dass Sie übertragene Aufgaben erledigen oder zu einem vereinbarten Zeitpunkt Ergebnisse an ihn zurückgeben.
Heute habe ich manchmal den Eindruck, dass die „Verantwortung“ der Chefs dazu führt, dass die einzelnen Mitarbeiter selbst keine Verantwortung mehr übernehmen. Weil sie es gewohnt sind, dass Ihre Chefs ihnen zur Not alles abnehmen, es für sie Anstrengung bedeutet oder weil sie es in ihrer aktuellen Arbeitssituation schlicht nicht einsehen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn Sie das als Mitarbeiter nicht hören wollen, aber so wird Führung tatsächlich zur Einbahnstraße.
Ich bin der Meinung, dass wie in einer modernen, gleichberechtigten Partnerschaft auch im Beruf beide Seiten dafür verantwortlich sind, für einen Rahmen und ein Arbeitsklima zu sorgen, in dem sie einen guten Job machen können und es ihnen gut geht. Und so dürfen und sollten Sie als Mitarbeiter Ihrem Chef sagen, wenn Sie etwas stört, Sie durch Ihre „Brille“ Dinge anders sehen oder Sie Fragen haben, weil Sie etwa den Sinn hinter einer Aufgabe oder das übergeordnete Ziel nicht verstehen. Und wenn es Ihnen wichtig ist, dass Ihr Chef häufiger ein berufliches Auge auf Sie wirft, dann wird er oder sie auch für diesen Hinweis sehr dankbar sein.
5 Ideen, damit Ihr Chef Sie wieder im Blick hat
1. Sprechen Sie Ihren Chef darauf an
Sie wissen vielleicht inzwischen, dass ich ein Freund von Klarheit bin. Haben Sie das Bewusstsein, warum es Ihnen wichtig ist, dass Ihr Chef Sie und Ihre Arbeit stärker im Blick hat, dann bitten Sie ihn um einen Termin und besprechen das Thema unter vier Augen. Achten Sie darauf, dass Sie nicht im Schuldzuweisungs-Rechtfertigungs-Pingpong enden. Erklären Sie Ihre Sichtweise und Wahrnehmung und sagen Sie, was Sie sich konkret für die Zukunft wünschen. So hat Ihr Chef die Möglichkeit, sein Verhalten zu reflektieren, Ihnen den Blick durch seine „Brille“ zu erklären und zu entscheiden, wie er mit Ihrem Anliegen umgeht. Am Ende des Gesprächs sollte beiden Seiten klar sein, ob und was sich in der künftigen Zusammenarbeit verändern wird.
2. Zeigen Sie echtes Interesse an aktuellen Themen
Sind Sie eigentlich froh, wenn Sie einfach den Tag über leise einen guten Job machen können, möchten Sie aber dennoch, dass Ihr Chef die guten Leistungen mehr sieht, dann könnte dies ein Weg sein. Beteiligen Sie sich aktiv stärker und zeigen Sie echtes Interesse auch an Themen rechts und links Ihres Aufgabengebietes. Das kann beim gemeinsamen Mittagessen mit dem ganzen Team sein oder auch in der regelmäßigen Team-Besprechung. Es geht nicht darum, dass Sie zum Clown im Team oder dem Hans-Dampf in allen Fluren werden. Es geht um Ihre allgemein stärkere Präsenz. Aus meiner Sicht ist dies vor allem eine Frage der eigenen Haltung als von extro- oder introvertierter Veranlagung.
3. Schlagen Sie Ihrem Chef Aufgaben vor, die Sie gerne übernehmen möchten
Vielleicht besteht Ihr täglicher Job heute zum Großteil aus Routine-Aufgaben, die Sie auch exzellent erledigen. Ihr Chef weiß das, ist froh darüber, dass er sich auf Sie verlassen und sich beruhigt auf andere Baustellen konzentrieren kann. Wenn Sie selbst Lust haben, Ihr Arbeitsleben etwas zu beleben, dann halten Sie die Augen offen nach Themen und Aufgaben, die Sie spannend finden und von denen Sie glauben, dass Sie sie erledigen können und auf die Sie wirklich Lust haben. Schlagen Sie Ihrem Chef Ihre Idee vor. Vielen Chefs wird es dabei wichtig sein, dass Ihre bisherigen Tätigkeiten nicht zu kurz kommen. Auf diese Frage sollten Sie sich vorher eine Antwort überlegen und Ihrem Chef so diese Sorge nehmen.
4. Finden Sie heraus, wofür Sie das Team schätzt
Kommt Ihnen heute im Team eine bestimmte Rolle zu oder sind Sie einfach nur eine/r von vielen? Gibt es etwas, das Sie besser als Ihre Kollegen können? Wofür werden Sie im Team heute auch geschätzt? Fällt Ihnen etwas ein? Wenn ja, dann kann auch genau dies ein guter Ausgangspunkt sein, um hiermit auch beim Chef wieder stärker in das Blickfeld zu rücken. Achten Sie bewusst auf solche Situationen, in denen diese Stärken oder Funktionen im Team besonders nützlich sind – und setzen Sie sie bewusst ein. Vielleicht blickt Ihr Chef nur auf das gesamte Team – sollte er eigentlich nicht! – aber so haben Sie die Chance, als wichtiger Teil seines Teams wahrgenommen zu werden.
5. Setzen Sie Ihre persönlichen Stärken für Ihre Karriere ein
Ich habe neulich irgendwo (finde es nicht mehr) gelesen: „Karrieren muss man selbst anschieben“. Sicherlich steckt hier ein Funke Wahrheit drin und damit schließt sich der Kreis, dass auch Sie der Chef Ihres (Arbeits-)Lebens sind und es auch in der Hand haben, etwas zu verändern.
Ich erlebe viele Angestellte, die nicht entsprechend ihrer wahren Stärken eingesetzt werden und so auch ihr volles Potenzial nicht ausschöpfen können. Trifft das auch auf Sie zu und Sie arbeiten heute womöglich nur auf Sparflamme, dann ist es kein Wunder, wenn Sie sich selbst klein machen und so auch nicht im Fokus Ihres Chefs sind. Fokussieren Sie sich wieder stärker auf Ihre echten Stärken und arbeiten Sie aktiv und (selbst)bewusst an Ihrer Karriere, von der Sie glauben, dass sie Sie in den nächsten Jahren in die richtige Richtung führt. Das wird Ihrem Chef ganz sicher ins Auge springen.
Haben Sie Lust, Ihrem Chef die Augen zu öffnen?
Natürlich sind nicht alle Chefs derart blind und schlechte Führungskräfte, wie ich sie in diesem Artikel auch zum Teil stark überzeichnet dargestellt habe. Und sicher gibt es auch viele Angestellte, die reichlich in das Verhalten ihrer Chefs hinein interpretieren und dramatisieren.
Doch wie auch immer die „Wahrheit“ aussieht, ich möchte Ihnen als Mitarbeiter den Impuls geben, schlechte Beziehungen zu Ihrem Chef oder aus Ihrer Wahrnehmung unzureichende Führung nicht hilflos hinzunehmen. Sie haben einen größeren Anteil an der Gestaltung einer positiven Zusammenarbeit mit Ihrer Führungskraft als Sie es heute vielleicht denken.
Außerdem: Viele Chefs sind sehr dankbar, wenn ihre Mitarbeiter auch auf sie zukommen und ihnen ein konstruktives Feedback zu ihrem Verhalten geben. Denn wir wissen doch alle, dass es Situationen im Leben gibt, in denen wir auf beiden Augen blind sind und es gut ist, wenn uns jemand ehrlich, aber respektvoll die Augen öffnet.
wie aus Seele gesprochen.