New Work: Wirklich schöne neue Arbeitswelt?

Mit dem Begriff New Work wird die Arbeitswelt von morgen bezeichnet. Eine neue Arbeitswelt mit veränderten Strukturen, einem neuen Management- und Führungsverständnis und innovativen Konzepten der Zusammenarbeit. Virtuell, flexibel, selbstbestimmt, frei. Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, das Denken in Hierarchien nimmt immer stärker ab, die Internationalisierung, Digitalisierung und Technisierung der letzten Jahre haben bereits heute in vielen Unternehmen zu neuen Arbeitsformen und Anforderungen an das Management und die Mitarbeiter geführt. Doch was erwartet uns tatsächlich in den nächsten Jahren? Ein Ende der Führung, agile Teams und Feelgood, soweit das Auge reicht? Wird morgen alles besser werden, so wie es viele engagierte New Work-Anhänger aktuell prophezeien? Oder hat New Work auch seine Schattenseiten und sind wir noch weit entfernt von dieser schönen neuen Arbeitswelt von morgen?

New Work – ein alter Hut?

Der Philosoph Frithjov Bergmann gilt als der Initiator des New Work-Begriffs. Gemäß seiner Vorstellung schafft die Neue Arbeit „Freiräume für Kreativität und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Sie löst das bisherige Job-System ab. Sie bietet der Menschheit die Chance, sich von der Knechtschaft der Lohnarbeit zu befreien.“

Zentrale Werte der New Work sind nach Bergmann Selbstständigkeit, Freiheit und die Teilhabe an Gemeinschaft. Bergmann ist heute 84 Jahre alt und gründete das Zentrum für Neue Arbeit vor 30 Jahren in den USA. Das hat mich überrascht. New Work – alles andere als „new“? Warum hat sich diese Arbeitskultur bis heute nur in einigen wenigen Unternehmen erfolgreich und nachhaltig etabliert und warum sind die meisten großen Konzerne noch so weit entfernt von dem, was wir mit New Work verbinden? War die Zeit bisher nicht reif für diese Veränderungen, wurden sie vom Management nicht zugelassen oder sind die Versuche bisher in der Umsetzung schlichtweg gescheitert?

New Work – nur eine Modeerscheinung?

Diese Frage muss erlaubt sein. Ist Bergmann nur der Visionär eines Konzeptes, welches immer mal wieder Auftrieb und Jubel-Rufe erfährt, jedoch bisher zu keiner nennenswerten Veränderung sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wirtschaft geführt hat, dass die gleichen Forderungen heute nach 30 Jahren immer noch aktuell sind? Denn auch wenn die heutigen New Work „Aktivisten“ es nicht mehr so ausdrücken würden, das Ziel, die Menschheit von der Knechtschaft der Lohnarbeit zu befreien, ist aktueller denn je. Oder handelt es sich etwa um einen solch grundlegenden und schwierigen Prozess, der ein halbes Jahrhundert oder länger Zeit benötigt?

Meine Hypothese: Es ist es eine Mischung aus beidem. Die Digitalisierung sowie der Generationenwandel im Management und in den Belegschaften sind momentan der perfekte Nährboden für das Thema New Work. Die Möglichkeiten unternehmerischen Handelns und die Formen der Zusammenarbeit haben sich insbesondere durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien in den letzten Jahren drastisch verändert. New Work wird heute vor allem von vielen Angestellten als Lösung  für die hohen psychischen Belastungen am Arbeitsplatz angesehen. Doch dass New Work auch als Management-Konzept funktioniert, zeigen Beispiele, die Henrik Zaborowski vor Kurzem anlässlich des Work in Progress-Events in seinem Blog vorgestellt hat. Ja, es gibt sie, die Unternehmen, die New Work leben und damit erfolgreich sind. Sicher lohnt es sich auch hier, genauer hinter die Kulissen zu blicken, denn ich vermute hinter einigen Vorzeige-Unternehmen nichts anderes als eine kluge Marketing-Maschinerie – das passt zur Modeerscheinung. Denn klar ist: New Work ist Hype, erzeugt Aufmerksamkeit und steht für Zukunftsfähigkeit, Augenhöhe und Attraktivität als Arbeitgeber. Gerade junge, hoch qualifizierte und intrinsisch motivierte Menschen fühlen sich von Unternehmen angesprochen, die New Work auf ihr Klingelschild schreiben.

Schein und Realität. Außen türkis – innen tiefstes Blau.

Neues löst Altes ab. Wir Menschen und auch Organisationen streben nach ständiger Weiterentwicklung. Wir durchlaufen bestimmte Entwicklungsphasen – die einen schneller, die anderen langsamer. Vor kurzem habe ich im Rahmen eines Seminars bei Svenja Hofert  das 9 Levels-Modell näher kennengelernt. Es erklärt und beschreibt die Entwicklung von Personen, Gruppen und Organisationen anhand von 9 Entwicklungsstufen. Wenn ich in die Unternehmen blicke, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte, dann waren und sind diese nach 9-Levels heute vorwiegend blau oder sogar noch rot geprägt: Klare Regeln und Zuständigkeiten, Arbeitsanweisungen, Gerechtigkeit als hohes Gut, Disziplin und Loyalität werden belohnt. Rote Menschen streben nach Macht und Ansehen, der Stärkere setzt sich durch und sucht nur seinen eigenen Vorteil. Diese Denke läuft mir heute besonders häufig noch in großen Konzernen über den Weg.

So, und nun tut so ein durch und durch blauer Konzern so, als sei er von heute auf morgen türkis: Nachhaltig, ganzheitlich, ökologisch. Das Wohlergehen der Menschen im Fokus, Weitsicht und Netzwerkintelligenz werden groß geschrieben. Das finde ich schwierig, denn Innen und Außen weichen voneinander ab. Ziel- und Wertekonflikte sind hier meiner Ansicht nach vorprogrammiert.

Ähnliches vermute ich bei vielen jungen Menschen, die euphorisch auf der New Work-Welle reiten. Sie studieren noch oder haben gerade erste Berufserfahrung gesammelt. Sie denken, sie seien türkis, tatsächlich sind sie in ihrer Entwicklung noch auf einer der unteren Stufen – was überhaupt nicht schlimm und hier nicht wertend gemeint ist, denn es ist ganz normal. Doch auch hier wird die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität in der Praxis wahrscheinlich zu Problemen führen.

Mein Erlebnis mit einem blauen Konzern

Ich machte mich vor einigen Wochen auf den Weg, um mich bei einem großen deutschen Traditionskonzern als Coach vorzustellen. Sie hatten sich überlegt, ihren Führungskräften etwas Gutes zu tun und beschlossen, deutschlandweit einen Coach-Pool aufzubauen. Sie hatten mich gefunden und zum „Casting“ eingeladen. Neben mir saßen an diesem Nachmittag fünf weitere Coachs. Wir erfuhren, dass sich das Unternehmen frisch neue Werte auf die Fahnen geschrieben hatte, vor uns lagen die Hochglanzbroschüren. Das klang alles ziemlich toll und nach reichlich New Work: Respekt und Eigenverantwortung waren zwei der wichtigsten Kernwerte.

Wir sollten uns vorstellen. Ich hatte mir vorher überlegt, dass ich nicht meine Zertifikate und Ausbildungen ausbreite und erzähle, welche tollen Jobs ich heute mache. Ich habe ihnen stattdessen meine Geschichte erzählt, was mich damals als Führungskraft bewogen hat, den interessanten und sicheren Job zu kündigen, wie ich meinen Weg zum Coaching gefunden habe und mit welcher Grundhaltung ich heute mit Klienten arbeite. Wer mich näher kennt, der weiß, dass Eigenverantwortung ein wichtiger Bestandteil meiner Haltung im Coaching und in meinem eigenen Leben ist. Ich wollte zeigen, dass die Unternehmenswerte zu mir und meiner Arbeitsweise passen. Mit meiner Vorstellung unterschied ich mich deutlich von meinen „Mit-Bewerbern“, denn sie hatten klassisch präsentiert, welche Methoden sie beherrschen, wer heute zu ihren Kunden zählt und wie erfolgreich sie sind.

Im anschließenden Einzel-Interview sollte ich erklären, was ich mir nur bei dieser Vorstellung gedacht hatte. Ja, die HR-Mitarbeiter hatten offensichtlich überhaupt nicht verstanden, was meine Motivation für diese Geschichte war. Den Höhepunkt des Tages bildete dann die Frage, ob dies Story-Telling gewesen sei oder meine Geschichte echt war. Ja, ganz davon abgesehen, dass Story-Telling auch echt sein sollte, na klar war meine sehr persönliche Geschichte wahr! Mir wurde klar, dass wir da auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen unterwegs waren. Eigentlich logisch, dass auch mein anschließendes Schau-Coaching nicht das war, was sie erwartet hatten.

Sie suchten offenbar Coachs, die Ihre Mitarbeiter „reparieren“ und wieder auf Spur bringen – so wie es der Vorgesetzte gerne hätte. Das ist typisch blau. Auf der Rückreise war mir klar, dass ich das nicht bin und ich mich für diesen Job auch nicht zuständig fühle. Einige Wochen später kam die Mail mit der Absage. Eine Mail, wie sie dort wahrscheinlich auch jeder Bewerber erhält: ein „Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen“-2-Zeiler, keine Spur von Wertschätzung. Gab es denn nichts, was ihnen gefallen hat und in Erinnerung geblieben ist? Wo sind die Werte hin, die uns von den Unternehmensvertretern mit Stolz als neue Führungsrichtlinien präsentiert wurden?

Aus meiner Sicht der Klassiker eines Konzerns, dessen Management zwar erkannt hat, dass sie etwas verändern müssen, aber übersieht, dass hierfür ein Entwicklungsprozess über mehrere Stufen hinweg notwendig ist (dazu hatte ich hier geschrieben). Um beim Bild der 9 Levels zu bleiben: zwischen Blau und Türkis werden erst die Level Orange, Grün und Gelb durchlaufen – einen Aufzug gibt es nicht, denn die Erfahrungen aus allen vorherigen Leveln ist wertvoll und notwendig für den Übergang zur nächsten Stufe.

Es reicht nicht, sich einfach einen modernen New Work-Anstrich zu verpassen. Die Organisation muss die notwendigen Entwicklungen als Voraussetzung durchlaufen haben und auf dem höheren Level angekommen sein. Bis dahin bleibt New Work nur eine schöne Fassade, die sehr schnell bröckelt und – wie ich finde –  einem Unternehmen mehr schadet als nützt.

Transparenz und Demokratie – Wollen Sie das wirklich?

Ich habe neulich mit Studierenden über Ricardo Semler und sein brasilianisches Unternehmen Semco gesprochen. Dort wird seit 25 Jahren überaus erfolgreich gelebt, was ich heute mit New Work verbinde: Radikale Demokratisierung, Bewertung von unten, Gewinnbeteiligung, Eigenverantwortung, Transparenz. Werfen Sie doch mal einen Blick ins „Semco-Wörterbuch“.

Zwei Beispiele aus dem Semco-Alltag: 1) Es gibt kein Spesenlimit bei Dienstreisen. Der Mitarbeiter kann frei entscheiden, ob er an der Hotelbar Champagner oder Wasser trinkt. Der Haken: jede Spesenrechnung wird im Intranet für alle sichtbar veröffentlicht. Eigenverantwortung pur! 2) Jede Gruppe ist in der Fertigung für die Herstellung eines bestimmten Produkts verantwortlich – von A bis Z. Wie die Gruppe das Ziel erreicht und wer wann in der Gruppe arbeitet, ist dem Management egal. Die Gruppe reguliert sich selbst. Wer faul ist, bekommt einen von der Gruppe drauf oder wird ganz ausgestoßen. Was glauben Sie, welcher Druck dort herrscht?

Nach der gemeinsamen Diskussion dieses Management-Ansatzes habe ich die Studierenden gefragt, wer für dieses Unternehmen arbeiten wollen würde. Die meisten Arme gingen hoch. Das, was hinter Semco steckt und auch das, was wir mit New Work verbinden, klingt gut und erscheint gerade für junge Menschen attraktiv.

Nun habe ich schon einige deutsche Unternehmen von innen gesehen. Darunter nicht nur Konzerne, sondern auch Mittelständler. Wenn Sie auch angestellt arbeiten, dann schauen Sie sich mal in Gedanken unter Ihren Kollegen um und fragen auch sich selbst, wieviel Selbstverantwortung Sie oder Ihre Kollegen heute für das übernehmen, was Sie tun. Wer übernimmt in Meetings die Verantwortung, wenn es um Aufgabenverteilung geht? Welche Teams organisieren sich selbst? Welche Führungskraft ist heiß darauf, jährlich von den eigenen Mitarbeitern bewertet zu werden und das Ergebnis am schwarzen Brett zu lesen? In wie vielen Unternehmen wird heute echte Transparenz gelebt? Wo ist Demokratie heute nicht gleichzusetzen mit Politik? Ich lasse es hier einfach mal so stehen …

New Work ja, aber bloß keine Veränderungen!

Viele Angestellte lieben ihre festen Strukturen, sie wissen genau, was Sie wohin eskalieren müssen (um damit die Verantwortung abzugeben) und kennen die relevanten Arbeitsanweisungen auswendig. Jede Entscheidung muss sorgfältig dokumentiert werden, die Mail ist sicherer als das Telefonat – es braucht ja Beweismittel. Umstrukturierung? Ih gitt! Es könnte sich ja etwas am Arbeitsplatz verändern oder der Job könnte sogar ganz überflüssig werden. Ein neues Computersystem? Und schon wieder ein neuer Chef? Viel zu viel Umgewöhnung! Unzufrieden und gefrustet, aber Aushalten ist die Devise, denn es könnte ja im nächsten Job noch schlimmer kommen. Bloß nichts verändern!

Ich übertreibe nicht und wahrscheinlich kennen Sie auch selbst viele Kolleginnen und Kollegen, die genau so denken – vielleicht sind es sogar Ihre Gedanken. New Work bedeutet auch Entwicklung durch Veränderung. Ein Schnipp, die neue Firmenseite und eine Tschakka-Rede des Vorstandsvorsitzenden reichen nicht, um plötzlich auch „New Work“ zu sein. New Work kostet. Für viele der heutigen Angestellten – und auch für viele Manager, die die letzten Jahre fest im Sattel saßen. New Work kostet vor allem Sicherheit: Das Wissen, was morgen auf dem Schreibtisch liegen wird. Der Chef, der den Rücken stärkt und genaue Anweisungen gibt und die Kollegen, die einen schon auffangen werden. Selbstverantwortung und Lösungsorientierung sind anstrengender als nur zu funktionieren und bei Problemen mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen. Mal ehrlich, wollen Sie das wirklich?

Semco und die Beispiele aus Deutschland, bei denen New Work gelebt wird, sind aus meiner Sicht deshalb erfolgreich, weil sich über die Jahre solche Mitarbeiter dort gehalten und neu beworben haben, die nach der 9-Levels-Systematik Gelbe oder Türkise sind: Selbstreflektiert, kreativ, eigenverantwortlich, offen gegenüber anderen Meinungen, kooperativ und das Wohl der Gemeinschaft im Blick. Der extreme Gruppendruck und die verordnete Demokratie haben diejenigen aus dem System vertrieben, die ein festes Regelwerk schätzen und den Schutz der Gruppe brauchen (Purpur), die ihre Macht um jeden Preis durchsetzen und für ihren persönlichen Erfolg nichts auf Regeln geben (Rote), und auch solche Mitarbeiter, denen Stabilität, Sicherheit, Status und Disziplin sehr wichtig sind (Blaue).

Doch was sollen ThyssenKrupp, Daimler, die Deutsche Post oder die Telekom mit all den Pflichtbewussten, Sicherheitsdenkern, Hierarchie- und Machtverliebten anstellen, die sich in diesen Traditions-Konzern heute noch zu Tausenden tummeln und festsitzen? Hartz-4? Oder eine Auffanggesellschaft für die Old-Worker? Hoffentlich nicht, denn so ginge den Konzernen wertvolles Erfahrungswissen verloren. Also, abwarten bis die Babyboomer in Rente sind – innklusive des „alten“ Managements? Oder wie wäre es mit hybriden Arbeitskulturen als Koexistenz von New und Old Work? Verträgt sich das überhaupt? Oder bleibt New Work auch in den nächsten 15 Jahren nur den Start-Ups und Unternehmen in extrem dynamischen Branchen vorbehalten?

Ich bin gespannt, wie sich die Diskussion um die neue und eigentlich zugleich alte New Work weiter entwickeln wird. Es muss und wird sich etwas verändern – das steht für mich fest. Die Herausforderung wird darin bestehen, die unterschiedlichen Generationen mit ihren sehr verschiedenen Werten und Anforderungen an das eigene Leben und die Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Doch ist genau dies nicht auch die Chance, die Unternehmen nutzen sollten? Vielfalt birgt enorm viele Potenziale! Wer es schafft, diese mit einer ehrlichen Unternehmenskultur von innen heraus zu aktivieren anstatt eine schillernde Fassade aus Feelgood und Augenöhe aufzubauen, der wird langfristig qualifizierte Mitarbeiter für sich gewinnen und binden sowie Wettbewerbsvorteile heben.

(Bildnachweis: 123rf.com, Bild-Nr. 29767460, alphaspirit)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare
  1. Hallo Herr Dr. Slaghuis!

    Ein toller Beitrag und auch schön der Veranschaulichung mit 9 Levels ist Ihnen sehr gelungen.
    Zu Ihrer Hypothese und der Frage ziemlich zu Beginn „Oder handelt es sich etwa um einen solch grundlegenden und schwierigen Prozess, der ein halbes Jahrhundert oder länger Zeit benötigt?“

    Aus meiner Sicht ist ein weiterer Punkt, warum sich in den vergangen 30 Jahren bei so vielen Unternehmen noch nichts (oder sehr wenig) getan hat und New Work jetzt wieder „Auftrieb und Jubel-Rufe erfährt“, dass wir den Wandel von einem Arbeitgebermarkt in (sehr) vielen Bereichen zum Arbeitnehmermarkt vollziehen. Warum sollten die AG etwas ändern, wenn sie doch entscheiden können, WER, WANN, WIE, WO etc.
    Digitalisierung, Generationenwandel sowie die Anforderungen der Arbeitnehmer an die (Arbeits-)Welt haben sich geändert und werden sich weiterhin ändern.
    Und darauf werden Unternehmen sich einstellen müssen und sie dürfen diese überaus spannende Entwicklung mitgestalten. Es ist noch ein weiter Weg, doch ich freu mich drauf ;)

    Beste Grüße aus Münster,
    Volker Davids

    1. Hallo Herr Davids,

      danke für Ihren Kommentar und Ihre Ergänzung. Ja, diese Veränderungen auf AN- und Bewerber-Seite sind speziell in einigen Branchen und Regionen mehr und mehr zu erkennen und führen zu Reaktionen. Wahrscheinlich auch ein Grund, dass sich momentan viele Unternehmen den New Work-Anstrich verleihen, um im Arbeitnehmermarkt zu glänzen. Ich bin wie Sie gespannt, ob sie die Zeit nutzen, um sich tatsächlich und langfristig hin zu neuen Arbeits- und Führungsverständnissen zu entwickeln oder ob es am Ende nur ein Employer-Branding-Luftschloss bleibt.

      Viele Grüße.
      Bernd Slaghuis

  2. Hallo Bernd,

    sehr guter Artikel zur aktuellen „Problematik“ im Wandel: ich stimme Ihnen da völlig zu, dass es seine Zeit braucht und eben auch die entsprechenden Entwicklungsschritte im notwendigen Prozess benötigt. Ich habe da einen ähnlichen, analogen Vergleich: bei den großen Lebensmittel-Händlern passiert etwas vergleichbares bei dem sog. Greenwashing. Die meisten stürzen sich auf das buzzword „Nachhaltigkeit“ und denken, mit ein paar Plattitüden und etwas Content sei der Schritt zur Nachhaltigkeit gegangen. Eigentlich steht im Fokus, den Markt der nachhaltigen Kunden zu decken. Egal wie! Verstanden, dass dazu weitaus mehr gehört als z.B. der slogan: „Gutes Fleisch erkennt man an gutem Fleisch“ haben diese profitabilitätsorientierten Entscheider nicht. Doch zurück zum Thema newwork.
    Auch hier genügt es nicht einfach nur zu propagieren, dass man einen Paradigmenwechsel vollzogen hat. Man muss es leben…durchleben! Und v.a. muss man tatsächlich verstehen worum es bei einem solchen Wandel geht. Das ist anstrengend und fordert wie bei den meisten Themen Selbstreflektion…da schließt sich dann wieder der Kreis.

    Ich habe da ein interessantes Beispiel eines sehr jungen startups: der CEO dieses Unternehmens stellt grundsätzlich nur Mitarbeiter ein, die sich mit dem Thema Selbstreflektion auseinandersetzen. So hat er überwiegend Mitarbeiter eingestellt, die z.B. über eine Therapie oder spezielle Coachings gelernt haben, ihre eigenen Verhaltensweisen immer wieder in Frage zu stellen und so in der Lage sind, mit anderen wertschätzend zusammen zu arbeiten. Es zeigt sich also auch hier wieviel Konzerne von startups lernen könnten. Wieviel ältere von jüngeren lernen könnten. Wieviel wir alle voneinander lernen können, wenn wir anfangen uns selbst immer wieder in Frage zu stellen!

    Mich hätte Ihre Vorstellung beim Casting am meisten beeindruckt, da sie mit Sicherheit die einzig authentische war! Solange jedoch die schnelle Präsentations-Nummer mit nach dem Mund gesprochenen Phrasen mehr zählt als Überzeugung durch Leidenschaft, weil Sie für Ihre Arbeit brennen und ein wahrer Dialogpartner sind, solange wird sich in DIESEN Unternehmen tatsächlich gar nichts ändern…außer den Hohlphrasen auf der Karriereseite!

    So, jetzt geht es mir besser :-)

    Ute

    1. Liebe Ute,

      waren wir nicht auf Twitter schon beim Du? :-) Danke für Dein Feedback und Deine Sichtweise auf die Lebensmittel-Branche. Stimmt, bei diesem Beispiel wird es wohl auch mehr „Anstrich“ und Marketing sein als im Innen tatsächlich gelebt wird – reine Vermutung! Das Beispiel mit dem CEO und den selbstreflektierten Mitarbeitern finde ich klasse, aber das geht (heute) wohl auch nur in Start-ups und für bestimmte Positionen. Jeden Bewerber erst in ein Selbsterfahrungs-Camp zu schicken, wäre sicher gut, doch das wirkt auch nur auf Basis von Freiwilligkeit – und die dürfte nicht überall vorliegen. Für einen Weltkonzern könnte ich mir das höchsten für bestimmte Führungsebenen vorstellen und ich weiß, dass es Unternehmen gibt, deren FK systematisch Coaching-Ausbildungen inkl. Selbsterfahrung absolvieren. Aber auch diese Entwicklung dauert … lange, finde ich aber auch sehr sinnvoll.

      Viele Grüße
      Bernd

      P.S. Das Unternehmen wird sicher seine Coachs gefunden haben, die es braucht ;-) Aber ich freue mich sehr über Deine Einschätzung.

  3. Spannender Artikel! „Türkis“ denkend und agierende Menschen hat es meines Erachtens aber schon immer gegeben, die hatten es in der Vergangenheit nur schwerer, sind häufig nicht ernst genommen worden und sind selten in Führungspositionen befördert worden, daher freue ich mich über die aktuelle Entwicklung sehr.

    Die Millennials fordern und leben einfach sehr viel selbstverständlicher „türkis“ und ich hoffe, dass viele „rote“ und „blaue“ Unternehmen und ihre entsprechenden Führungskräfte dadurch zur Veränderung gezwungen werden, wenn sie sie von alleine schon angehen würden.

  4. […] New Work – schöne neue Arbeitswelt? Diese Frage habe ich hier im Blog im April schon kritisch aufgeworfen. Den momentanen Wirbel um die Digitalisierung der Arbeitswelt inklusive der Rolle von HR empfinde ich persönlich fast schon als Panikmache ohne strategische Weitsicht. Und die HR-Experimentier-Agents waren nun das Sahnehäubchen, mal wieder einen HR-Beitrag zu schreiben. […]

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