Stress im Job: 5 Tipps für das klärende Gespräch mit Ihrem Chef

Sagen Sie Ihrem Chef, wenn Sie Stress im Job haben? Oder fürchten Sie die Kündigung und halten den Stress lieber aus? Die meisten Angestellten entscheiden sich in meiner Wahrnehmung heute dafür, lieber nichts zu sagen und darauf zu hoffen, dass es in absehbarer Zeit schon wieder besser werden wird. Sie jammern unter ihresgleichen, der Chef jedoch sieht nur ein verkrampftes Lächeln. Und während sie noch „Kein Problem, alles in Ordnung!“ nach oben signalisieren, landet gleich der nächste Stapel Arbeit auf dem Tisch. Eine gefährliche Stress-Spirale, aus der viele Angestellte heute nicht mehr selbst hinaus finden. Erfahren Sie in 5 Schritten, wie Sie mit Ihrem Chef besprechen können, was Sie stresst, ohne gleich die Kündigung zu kassieren.

„Ich muss jetzt einfach mal die Eier haben, es ihm zu sagen!“

Diese Erkenntnis habe ich in der letzten Woche gleich zweimal – von Frauen – gehört und dieser Satz war der Impuls für meinen heutigen Artikel. Sie fürchten die möglichen Konsequenzen, wenn sie mit ihrem Chef über ihren Stress im Job sprechen: Einen Chef, der laut tobt, sie als Weichei und Schlechtleister abstempelt, eine Notiz für die Personalakte schreibt oder sofort die Kündigung aus der Schublade zieht.

Die Angst von Angestellten vor den Konsequenzen und ihre ausgeprägte Gabe, sich richtig Sorgen zu machen, was alles geschehen könnte, wenn sie mit ihren Problemen zum Chef gehen, erscheint mir heute größer als je zuvor. Ich frage mich, wann sie diese Angst vor dem eigenen Chef entwickelt haben. Der Boss, das böse und unberechenbare Monster? Schrecklicher als in den tiefsten Zeiten patriarchalischer Führung.

Sollten wir das nicht langsam hinter uns haben in einer Diskussion über neue Führungsstile, New Work und Augenhöhe-Kultur? Haben wir es versäumt, das Sicherheits-Update in unseren Köpfen zu installieren, welches Chefs wieder zu Kollegen und Menschen macht, die mit ihren Teams gemeinsam Ziele erreichen und Erfolge feiern möchten? Oder sehe ich die Welt zu bunt und sind wir in einer Arbeitswelt mit Hire-and-Fire-Mentalität angelangt, in der die Angst vor der schnellen Kündigung des eh nur befristeten Arbeitsvertrages beim kleinsten Aufmucken tatsächlich berechtigt ist?

Beide, die mir fest entschlossen obigen Satz sagten, ergänzten: „So schlimm wird es schon nicht werden und wie sonst soll er merken, dass ich gestresst bin und so keine gute Arbeit mehr leisten kann?“ – Ja, wie soll er. Chefs sind keine Hellseher, keine Psychologen, keine Detektive. Und sie sind – und müssen es auch – auf einer anderen Flughöhe unterwegs sein als ihre Mitarbeiter und andere Dinge im Blick behalten. Sicherlich sollten Führungskräfte ein gutes Gespür dafür haben, welche Aufgaben in welcher Zeit von wem zu erledigen sind und wann ein Mitarbeiter überfordert ist.

Ja, Chefs sollten auch soviel Empathie besitzen, Stimmungen ihrer Mitarbeiter sowie des Teams wahrzunehmen und darauf reagieren können. Doch viel einfacher wäre das alles, wenn auch Mitarbeiter für mehr Klarheit in der Führungsbeziehung sorgen, indem sie sagen, was sie stört, stresst, belastet und was ihnen wichtig ist.

Stress im Job: 5 Schritte für das Gespräch mit Ihrem Chef

Schritt 1: Eigene Klarheit: Was stresst Sie eigentlich wirklich?

Egal, ob Sie über zu viel Arbeit oder gähnende Langeweile klagen, sich von den Kollegen gestört fühlen oder Ihre Work-Life-Balance krankt. Dies alles sind nur die Symptome von etwas. Versuchen Sie herauszufinden, was dahinter steckt und Sie in Ihrem Job wirklich stresst.

Hinter dem Gefühl von zu viel Arbeit kann beispielsweise die Angst stecken, die Aufgaben nicht mehr mit dem gewohnten Perfektionsanspruch erledigen zu können. Auch möglich, dass sich ein Priorisierungs-Thema dahinter verbirgt und Sie überfordert sind, die Dringlichkeit von Aufgaben zu bewerten und versuchen, irgendwie alles auf einmal zu schaffen. Stress durch zu viel Arbeit kann auch bedeuten, dass Ihnen Freiräume fehlen, die Sie im Beruf benötigen, um sich länger mit einem Thema fokussiert zu beschäftigen. Oder auch Freiräume, die Sie im Privatleben benötigen, um Ihre Akkus wieder aufzuladen.

Sie sehen: Nur über zu viel Arbeit zu klagen, das bringt Sie nicht weiter. Erst wenn Sie für sich erkennen, welche Ihrer persönlichen Werte oder Ziele im Beruf genau verletzt werden, dann werden Sie konkrete Ideen entwickeln können, was sinnvolle Lösungen für den Stress-Auslöser sein können.

Schritt 2: Lösungsideen: Was können Sie selbst verändern?

Ich habe das Gefühl, manche Angestellte haben die Selbstverantwortung in ihrem beruflichen Alltag längst an den Nagel gehängt. Sie machen im Beruf den Chef, die Kollegen oder pauschal das Management, die Gesellschaft oder Frau Merkel für ihre Probleme verantwortlich. Die Idee, dass sie auch ein Teil des Problems sind, sich mit lästig bequemen Gewohnheiten oder nicht mehr gültigen Denkmustern selbst im Weg stehen, das scheint abwegig. Weil es anstrengend ist oder wir es in einer zunehmend fremdgesteuerten Gesellschaft verlernt haben, unser Denken und Handeln selbst zu hinterfragen und so auch den eigenen Anteil am Problem – und damit auch an der Lösung – zu erkennen.

Hier sehe ich die Hauptursache, warum heute viele Gespräche zwischen Mitarbeitern und ihren Chefs ungünstig verlaufen und ja, vielleicht nach vielen schlechten Gesprächen auch irgendwann zur Kündigung führen. Was soll ein Vorgesetzter mit jammernden Mitarbeitern anfangen, die ihm ausschließlich Vorwürfe machen und sich gleichzeitig für ihr eigenes Verhalten nur rechtfertigen? Die sich nicht verstanden, zu wenig wertgeschätzt und ausgenutzt fühlen und ihren Arbeitgeber hierfür einseitig verantwortlich machen. Die sich in einer bequemen Konsumentenhaltung zurücklehnen und erwarten, dass es das System um sie herum schon richten wird.

Wenn Sie für sich selbst erkannt haben, was der echte Auslöser für eine Sie belastende Situation im Beruf ist, dann überlegen Sie, was dies auch mit Ihnen selbst zu tun hat und welche Veränderung Ihres Verhaltens zu einer Verbesserung führen kann. Vielleicht reichen diese beiden Schritte auch bereits, um die schwierige Situation selbst zu lösen und es bedarf gar keinem Gespräch mit Ihrem Chef oder den Kollegen.

Wenn nicht, was wünschen Sie sich, wie sich auch Ihr Chef oder die Kollegen zukünftig anders verhalten? Als Vorbereitung für Ihr Gespräch mit dem Chef sollten Sie Ihre Gedanken hierzu aufschreiben, um tatsächlich für sich selbst Klarheit über die Hintergründe und auch die Lösungsideen zu schaffen.

Schritt 3: Mentale Vorbereitung: Ihre Haltung zählt!

Bevor Sie in das Gespräch mit Ihrem Chef gehen, bereiten Sie sich mental darauf vor. Gehen Sie das Gespräch in Gedanken durch und überlegen Sie sich, was Sie Ihrem Chef gerne wie sagen möchten und auch, was Sie glauben, wie er oder sie darauf reagieren wird.

Ihre Haltung zählt. Es macht einen Unterschied, ob Sie mit Wut im Bauch das Büro Ihres Chefs betreten oder ob Sie ein echtes Interesse an einer guten Zusammenarbeit und einer für beide Seiten sinnvollen Lösung haben. Es macht auch einen Unterschied, ob Sie gefühlt als Untertan Ihres Bosses ängstlich zu ihm angekrochen kommen oder ob Sie ihm selbstbewusst begegnen. Ihre Haltung entscheidet darüber, was Ihr Chef im Gespräch empfindet und wie er sich als Reaktion verhält. Sie beeinflussen mit Ihrer eigenen Einstellung und Haltung die Qualität der Kommunikation und damit auch das Ergebnis des Gesprächs.

Werden Sie sich also vorher Ihrer Haltung bewusst. Stellen Sie sich vor, mit welchem Gefühl Sie das Büro betreten und auch wieder verlassen möchten. Überlegen Sie sich, was Ihnen wirklich wichtig ist als Ergebnis des Gesprächs und worauf Sie sich daher konzentrieren werden.

Schritt 4: Gespräch mit dem Chef: Lösungsorientierung auf Augenhöhe

Viele Angestellte sehen ihren Chef als Gegner statt als Mitspieler. Geht es nicht eigentlich darum, im Team gemeinsam erfolgreich zu sein?

Natürlich gibt es überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, auch immer Werte- und Zielkonflikte: Ihrem Chef sind wahrscheinlich andere Dinge als Ihnen im Beruf wichtig. Er hat ebenso wahrscheinlich andere persönliche Ziele als Sie sie verfolgen.

Genau hier liegt für mich der Schlüssel für ein gutes Gespräch: Beide Seiten sollten versuchen, die Sicht der jeweils anderen Seite zu verstehen. Gegenseitige Wertschätzung bedeutet wortwörtlich, die Werte des Gesprächspartners zu kennen und somit zu schätzen. Ob dies Ihrem Chef gelingen wird, darauf haben Sie wenig Einfluss. Sie jedoch können viel dazu beitragen, Ihrem Chef Klarheit über Ihre Werte und Ziele im Beruf und vor allem Klarheit über Ihre Sicht auf die Sie belastende Situation zu verschaffen. Und wenn es Sie wirklich interessiert, was Ihrem Chef wichtig ist, dann fragen Sie ihn doch mal danach.

Blicken Sie gemeinsam in die Zukunft! Zu häufig verlieren sich Chef-Mitarbeiter-Gespräche in einer Diskussion über die Vergangenheit. „Ich habe damals schon gesagt … und das konnte ja nicht funktionieren …“ Sie kennen das sicher. Beide Seiten steigern sich in eine Schuld- und Rechtfertigungsdebatte hinein, die Sie jedoch keinen Schritt in Richtung Lösung für die Zukunft führt.

Konzentrieren Sie sich als Mitarbeiter darauf, in Lösungen zu denken und steuern Sie das Gespräch, sobald es abdriftet. Zeigen Sie, dass Sie sich selbst reflektiert und erkannt haben, was auch Sie zur Situation beigetragen haben. Das bringt Sie auf Augenhöhe. Sagen Sie Ihrer Führungskraft, was Sie sich vornehmen möchten, in Zukunft anders zu tun und auch, wie Sie Ihr Chef darin unterstützen kann bzw. was Sie sich konkret von ihm oder ihr wünschen. Nicht als großes Wunschkonzert, sondern nehmen Sie Ihre Führungskraft vielmehr in die Verantwortung, ebenso darüber nachzudenken, was er oder sie tun kann, um die Sie belastende Situation in Zukunft zu verbessern.

Schritt 5: Umsetzung: Konsequent Neues probieren

Bei jeder noch so kleinen Veränderung geht es immer um das Verlassen der eigenen Gewohnheitszone und die Entdeckung neuer, besser erscheinender Wege. Ihre Selbstreflexion und das Gespräch mit dem Chef wären vergeudete Mühe, wenn Sie nicht wirklich im Anschluss selbst etwas verändern, sondern im „Opfer-Jammer-Modus“ bleiben. Hinzu kommt: Bemerkt Ihr Chef, dass Sie weiter in alt bekannten Mustern verharren, etwa Ihren allzu hohen Perfektionsanspruch nicht herunterschrauben können, könnte dies tatsächlich auf Dauer als Schwäche ausgelegt werden.

Auf der anderen Seite gilt natürlich ebenso, dass das Wort Ihrer Führungskraft Bestand haben sollte. Viele Angestellte zeichnen bei mir im Coaching das Bild des Fähnchens im Wind von ihren Chefs, so sollte es sicher nicht sein. Erinnern Sie ihn oder sie dann daran, was Sie besprochen haben und fordern Sie auch in dieser Situation die Verantwortung in der Rolle als Führungskraft ein.

Kommunikation: Klarheit schafft Sicherheit

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie allein eine schwierige Situation nicht lösen können, dann sprechen Sie mit Ihrer Führungskraft oder Ihren Kollegen darüber, was Sie stört und stresst. Der Ton macht die Musik und es hängt zu einem großen Teil von Ihrer eigenen Haltung ab, wie das Gespräch verläuft.

Es geht nicht um das kalte „Nein!“ aus einer überforderten Abwehr- oder hilflosen Opferhaltung heraus. Reflektieren Sie sich und Ihr Verhalten und finden Sie heraus, was auch Ihr Anteil an der Situation ist.

Denken Sie in Lösungen statt in Problemen, in Zukunft statt in Vergangenheit! Begegnen Sie Ihrem Chef als Kollegen und integralem Teil Ihres Teams. Fokussieren Sie sich darauf, zu gemeinsamen Zielen zu finden und möglichst konkrete Lösungen für die Zukunft zu vereinbaren.

Erinnern Sie sich und Ihren Chef an diese Lösungen, sobald Sie doch wieder in alte Muster zurückfallen – oder suchen Sie nach anderen Wegen, wenn Sie erkannt haben, dass Sie der eingeschlagene Pfad nicht weiter führt.


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(Titelbild: 1223rf.com, #35382667)

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Ein wirklich sehr guter Beitrag, vielen Dank.
    Ich selber habe mich hier an einigen stellen wieder erkannt.
    In den letzten 4 Jahren habe ich im Verkaufsaußendienst gearbeitet und genau das erlebt, was hier beschrieben!

    Anfangs fand ich das noch toll so wichtig zu sein, das der Chef oder die Kunden auch noch nach dem Abendbrot erreicht haben um etwas zu klären. diese Stimmung ist aber sehr schnell gekippt, da ich oftmals mitbekommen habe, das es Sachen waren, die auch am nächsten Tag ihre Klärung hätten finden können!

    Da die Zustände aber von Jahr zu Jahr schlimmer wurden und ich zum Ende hin auch noch am Wochenende Bereitschaften fahren sollte, war der Zeitpunkt gekommen sich nach etwas anderem um zu sehen!

    Sicherlich locken tolle Autos, Prämien und ein fettes Gehalt und Privisionen, aber die Gesundheit und die Familie dankt es einem nicht !!!

    Heute lebe ich ruhiger und habe andere Arbeit. Mein Fokus liegt nun ei Familie, Sport und Gesundheit.

    Viele Grüße und alles Gute

  2. Eine Freundin von mir ist schon seit einer längeren Zeit in Psychologischer Beratung. Sie hat sehr viel Stress auf der Arbeit und war schon einige Male kurz vor einem Burnout. Nun muss sie mit ihrem Chef sprechen, damit sie gemeinsam eine Lösung finden können. Ich finde es super wichtig, dass mit seinem Vorgesetzten zu besprechen, da haben Sie voll recht. Er ist weder ein Hellseher noch ein Psychologe und Transparenz ist von beiden Seiten aus wichtig für ein gutes Arbeitsverhältnis.

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