Bewerbungscoaching: Die 10 überraschendsten Fragen von Bewerbern

Bewerber machen sich viele Gedanken, wie sie mit ihrem Anschreiben und Lebenslauf sowie im Vorstellungsgespräch beim potenziellen Arbeitgeber erfolgreich sind. Viele von ihnen habe ich in den letzten Jahren im Bewerbungscoaching begleitet. Hier sind die 10 überraschendsten Fragen, die mir Bewerber bisher gestellt haben sowie meine Perspektive darauf. Jede dieser Fragen hat ihre Berechtigung und sie zeigen die tiefe Verunsicherung vieler Bewerber heute. Meine spontanen Antworten (kursiv) sollten Sie nicht allzu ernst nehmen, doch schauen Sie am besten selbst, was Ihnen als Bewerber/in dabei durch den Kopf geht.


Ja, klar, unbedingt! Und falls Sie auch noch blond sind, färben Sie sich die Haare vor dem Fototermin dunkelbraun, das ist bekanntlich besser. Binden Sie sie so streng wie möglich zurück. Falls die Länge reicht, knoten Sie sich einen Dutt. Das erhöht Ihre Chance echt ungemein!

Ok, Sie haben wahrscheinlich auch von diesen Studien gelesen, dass zusammengebundene Haare bei Frauen im Beruf für Stärke und Erfolg stehen. Ich frage mich: Ist es so, dass Bewerberinnen bevorzugt eingestellt wurden, weil ihre Haare zusammengebunden waren – oder binden sich viele Frauen, die im Beruf als erfolgreich gelten, mehrheitlich gerne ihre Haare zusammen? Also das verwirrt mich jetzt!

Die Frage ist: Möchten Sie mit Ihrer Bewerbung Klischees erfüllen und in Schubladen denken, um zu gefallen, oder möchten Sie sich als Individuum zeigen? Wenn Sie sich selbst mit zusammengebundenen Haaren nicht mögen, dann werden Sie als Bewerberin so auch keine gute Figur machen. Machen Sie ein Foto, auf dem Sie SIE sind. Authentisch, ehrlich und sympathisch.

 

Auf gar keinen Fall! Arbeit ist immer noch zum Geld verdienen da. Spaß können Sie gefälligst in Ihrer Freizeit haben! Was soll Ihr neuer Arbeitgeber nur von Ihnen denken? Opfern Sie sich für den Job auf. Nur so geht’s ganz schnell nach oben! 

Wahrscheinlich haben Sie genau diesen Glaubenssatz im Kopf: „Arbeit kann/darf keine Freude machen!“ Weil Sie es womöglich so bei Ihren Eltern erlebt und vorgelebt bekommen haben. Vielleicht auch, weil Sie selbst über Jahre genau diese Erfahrung gemacht haben und sich nun ganz sicher sind, dass es in Zukunft auch immer so bleiben wird.

Ich spreche mit allen Jobwechslern und Bewerbern über ihre Werte, also das, was ihnen im Beruf wichtig ist. „Freude“ ist der Wert, der am häufigsten genannt wird. Wenn es so ist, warum sollte es verboten sein, dies im Anschreiben oder im Gespräch zu sagen? Denkt sich Ihr neuer Chef „Freude? – Mit mir nicht!“, dann sollten Sie schnell das Weite suchen.

Als interessierter Chef oder Personaler würde ich Sie im Gespräch fragen, was genau Ihnen Freude im Beruf bereitet und wie es sich zeigt, dass Sie Freude haben. Denn nur so haben beide Seiten eine Chance herauszufinden, ob sie wirklich zusammen passen.

 

Um Gottes Willen! Fragen Sie auf gar keinen Fall ungefragt! Es ist ein Interview, nur die Gegenseite stellt die Fragen. Sie möchten doch nicht schon im Bewerbungsgespräch als neugierig, interessiert oder gar kritisch wirken, oder? Warten Sie als braver Bewerber auf das Signal, dass es Zeit für Ihre auswendig gelernten und möglichst unverfänglichen Fragen ist.

Bei dieser Frage stecken Sie wahrscheinlich in der Haltung „Kleiner Bewerber – mächtiges Unternehmen“. Eine Haltung, die ich immer noch bei vielen Bewerbern beobachte. Für mich ist ein gutes Bewerbungsgespräch kein einseitiges Interview, sondern ein Gespräch, in dem sich beide Seiten austauschen.

Fragen Sie jederzeit, wenn Sie etwas interessiert oder Sie etwas nicht verstanden haben. Welche Fragen Sie sogar gestellt haben sollten, um am Ende sicher den Vertrag unterschreiben zu können, das lesen Sie hier.

 

Aber sicher doch, jeder Kontaktpunkt zählt! Lassen Sie sich am besten bis zum Vorstand durchstellen und erklären Sie, dass Sie soeben die Stellenanzeige gelesen haben und in dieser Sekunde auf den Knopf „Bewerbung absenden“ drücken. Dann weiß das Unternehmen, dass gleich eine Mail eingehen wird. Sicher ist sicher, schließlich gehen sooo viele Bewerbungen in Unternehmen verloren und Bewerber hören nie wieder etwas. 

Sie haben irgendwo gelesen, dass viele Kontaktpunkte zum neuen Arbeitgeber gut sind, um als Kandidat aufzufallen und als interessiert zu gelten. Was viele Bewerber jedoch dabei überlesen ist, dass es sinnvolle Kontaktpunkte sein sollten. Warum sollten Sie anrufen, wenn es keinen triftigen Grund gibt – also außer angerufen zu haben?

Gründe für Anrufe oder Mails vorab können sein, dass Sie konkrete Fragen zur Position oder zum Bewerbungsprozess haben. Etwa, wenn Sie sehen, dass die Bewerbungsfrist abgelaufen ist, die Positionen oder das Unternehmen jedoch so attraktiv finden, dass Sie sich gerne noch bewerben möchten. In diesem Fall können Sie echtes Interesse zeigen und nachfragen, ob Ihre Bewerbung im laufenden Prozess noch Berücksichtigung findet. Vorausgesetzt, Sie bekommen einen HR-Mitarbeiter ans Telefon.

 

Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an! Man trinkt halt Kaffee bei solchen Terminen! Das werden Sie doch überleben, wenn es um den Arbeitsvertrag geht, oder? Wasser ist was für Weicheier! Ach ja. Noch ein Tipp: Trinken Sie Ihren Kaffee schwarz, ohne Zucker. Nur das symbolisiert Stärke und Entschlossenheit. 

Ja, diese Frage bekomme ich wirklich gestellt. Und auch sie zeigt eine Haltung als Bewerber, die Anpassung, Angst vor Ausgrenzung sowie Unsicherheit zum Ausdruck bringt. Ich frage Sie: Geht es um „man“ oder um Sie? Ist es für Sie und Ihre Ziele wichtig, ausnahmsweise mal den ekeligen Kaffee runter zu kippen, um zugehörig zu sein und eine gemütliche Gesprächsatmosphäre zu schaffen? Oder dürfen Sie preisgeben, dass Sie keinen Kaffee mögen und lieber ein Wasser hätten, oder Sie vielleicht sogar nach einem Tee fragen?

Ich persönlich bin im Übrigen der Meinung: Wer als Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung daran festmacht, was Bewerber bei einem Vorstellungsgespräch trinken, der ist im letzten Jahrhundert stecken geblieben – und wenn Sie ehrlich sind, möchten Sie dort auch nicht arbeiten, oder?

 

Na, das ist doch klar! Alles und nichts. Versuchen Sie, als Bewerber eine möglichst klug klingende und so allgemein wie möglich formulierte Antwort zu geben, die auf jede Frage passen würde und beten Sie, dass Ihnen gleich darauf die nächste Frage gestellt wird. Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten – das wissen Sie – sowas macht man doch nicht. Das wäre das sichere Ende als Bewerber im Gespräch.

Ich mache es kurz: Wie würden Sie sich in jedem anderen Gespräch verhalten, wenn Sie eine Frage Ihres Gegenübers nicht verstehen? Na klar, Sie würden nachfragen. „Was meinen Sie genau?“ oder „Ich verstehe die Frage nicht, können Sie sie bitte anders formulieren?“ Warum eigentlich nicht im Bewerbungsgespräch?

 

Sicher, worauf denn auch sonst? Es fängt schon mit dem Händedruck an. Jede Bewegung Ihres Körpers, jedes nervöse Zucken Ihrer Augen oder die Stellung der Mundwinkel werden von psychologisch versierten Personalern akribisch analysiert. Genau das entscheidet am Ende über Ihren Arbeitsvertrag. Also, haben Sie sich gefälligst unter Kontrolle!

Ich bin erschrocken, was manche Körpersprache-Experten oder sogenannte Knigge-Beraterinnen Bewerbern immer noch einbläuen. Wie sie zu sitzen haben, wohin mit den Händen, welcher Händedruck, welcher Blickkontakt, welche Stimme. Lesen Sie hier, warum ich der Meinung bin, dass diese Körpersprache-Tipps der Wahnsinn sind. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre Füße nicht auf den Tisch legen und den Finger aus der Nase lassen.

Also, verhalten Sie sich doch einfach normal der professionellen Situation angemessen und nutzen Sie Ihre Energie für ein gutes Gespräch. Und wenn schon Bewusstsein für Körpersprache, dann achten Sie bewusster darauf, was Ihr Körper Ihnen sagen möchte, anstatt darüber zu spekulieren, was Ihr Gegenüber interpretieren könnte.

 

Aber unbedingt, das schafft Klarheit! Ein Glücksfall für jeden Arbeitgeber, wenn Sie nicht gleich nach der Probezeit Erziehungsurlaub anmelden. Das wird Ihre Chance auf den Job als Frau in diesem eh schon so unfairen Wettkampf mit den männlichen Konkurrenten ungemein verbessern.

Oh jeh, in welcher Zeit leben wir? Wie kann sich eine 25-Jährige so sicher sein, niemals Kinder haben zu wollen? Vor allem aber: Welche Erfahrungen muss die Bewerberin als Frau gemacht haben beziehungsweise welches Rollenbild und welche eigene Haltung hat sie von sich selbst, wenn dies die Botschaft an den nächsten Arbeitgeber ist?

Meine Meinung: Auch wenn Benachteiligungen wegen des Geschlechts oder der Herkunft bei der Bewerberauswahl – vielleicht auch nur unterbewusst – in unserer modernen Arbeitswelt noch vorkommen mögen, schwächt Sie ein solches Statement als Bewerberin und lässt Sie verzweifelt klingen. Außerdem unterstellen Sie dem potenziellen Arbeitgeber damit Diskriminierung. Personaler dürfen Ihnen keine Fragen zur Familienplanung stellen. Warum wollen Sie sich als Frau daher ungefragt so weit aus dem Fenster lehnen?

 

Betriebsbedingt gekündigt? Frechheit! Wie konnte Ihnen denn so etwas Peinliches passieren? Das wird Ihr Leben lang ein Fehltritt im Lebenslauf sein, den Sie unbedingt kaschieren müssen. Nicht, dass jemand auf die fixe Idee kommt, dass Sie schuld daran sind, warum Ihr Arbeitgeber Insolvenz angemeldet oder den Standort ins Ausland verlagert hat.

Oft frage ich mich bei solchen „unschuldigen“ Kündigungen, wie sehr Bewerber selbst daran glauben, dass es an ihnen gelegen hat. Sicherlich ist jede Kündigung nicht angenehm und mit negativen Emotionen verbunden, doch als Erklärung für den nächsten Arbeitgeber ist die betriebsbedingte Entlassung doch der sachlichste Kündigungsgrund überhaupt.

Sie müssen sich keine Ausreden überlegen, um nicht über den unfähigen Ex-Chef oder die doofen Kollegen schlecht zu reden und Sie müssen auch nicht erklären, warum Sie Ihre Ziele nicht erreicht haben und geflogen sind. Sagen Sie in diesem Fall, was Sache ist, ohne jedoch Interna auszuplaudern.

 

Ja klar, das passt perfekt! Sie müssen mit Ihren Hobbies zeigen, dass Sie stark sind und Durchhaltekraft besitzen, ein guter Teamplayer sind und sich auch in Ihrer Freizeit bilden. Es ist völlig egal, ob es wirklich Ihre Hobbies sind. Schreiben Sie, was Eindruck macht! Am Ende interessiert es doch niemanden, schließlich ist Arbeit ja Arbeit und kein Privatvergnügen!

Ja, das mit den Hobbies im Lebenslauf ist so eine Sache. Sehe ich sie bei 55-Jährigen, die sich auf eine Position als Führungskraft oder Manager bewerben, dann kommt es mir arg seltsam vor. Bei jungen Menschen und Berufseinsteigern finde ich Hobbies sympathisch und infolge der geringen Berufserfahrung ein guter Ansatzpunkt, um locker ins Gespräch zu kommen.

Aber wenn Hobbies, dann seien Sie auch ehrlich! Es geht darum, etwas Persönliches über Sie zu erfahren und nicht darum, das zu lesen, wovon Sie glauben, dass es für die Stelle sinnvoll ist und bei Personalern gut ankommt. Wenn Sie als echter Kerl gerne Aquarelle malen und Liebesromane lesen, dann entscheiden Sie, ob Sie das preisgeben möchten. Aber werden Sie nicht zum Fallschirmspringer oder Golfspieler, nur weil Sie in Ratgebern gelesen haben, dass man das als Manager so tut.


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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 13 Kommentare
  1. Da haben wir’s. Dank der tollen Bewerbungstipps (vorallem aus dem US-Markt) sind Bewerber mehr als verunsichert. Die Diskussionen über Schrifttypen,-größen, natürliches Auftreten oder Schauspielen im Vorstellungsgespräch hat seine Ursache in den gegeneinander gerichteten Tipps. Jeder veröffentlicht heute seine Weißheiten, belegt diese mit Statistiken und Titeln des Autors. Was diese Leute damit anrichten, dafür sind genau diese Fragen der Beweis.

    Ich finde auch diese Übernahme aus dem englischen Sprachraum „Job“ einfach unmöglich. Wir haben in Deutschland ein schönes Wort „Beruf“. Das kommt von Berufung. Der jenige, der also diesen Beruf ausübt, fühlt sich berufen! Also darf man auch so sein, wie man ist. Man darf auch Spaß an seinem Beruf haben. Denn nur wer Spaß an seiner Berufung hat, arbeitet auch gut.

    Job hingegen bedeutet für mich nur, heute mache ich dies und morgen was ganz anderes. Das ist keine Berufung. Schön ist in dem Zusammenhang die Denglisch Bezeichnung „Gelegenheits-Job“. Ich glaube keiner würde auf die Idee verfallen von einem „Gelegenheitsberuf“ zu sprechen, oder?

    Wir orientieren uns hier zu sehr am US-Standard, ohne zu beachten, dass dort die Verhältnisse nicht identisch mit unsernen Gegebenheiten sind. Wir sollten einen vernümpftigen Weg finden, der für unser Umfeld gedacht ist. Also vergessen wir diese „Tips“ aus den USA. Die Wahrscheinlichkeit, dass man tatsächlich auf solche Leute trifft, ist in Deutschland recht gering. Und wenn, kennen die auch nur die Weißheiten, wie sie im Netz stehen. Also sind die genau so verunsichert wie alle anderen auch.

    1. Hallo Herr Ende,
      ich vermute, Sie spielen auf den aus dem Amerikanischen übersetzten Text mit 30 Tipps für den Lebenslauf an, der neulich auf einer anderen Plattform die Runde durchs Netz machte? Das fand ich auch problematisch, denn die Arbeitsmärkte und Kulturen sind sicherlich unterschiedlich und solche Tipps verunsichern deutsche Bewerber, die die Übersetzung nicht erkennen. Mich würde interessieren, was Sie zu meiner Haltung und den Antworten hier denken. Auch Verunsicherung von Bewerbern, weil wiederum anders und vielleicht unerwartet?
      Viele Grüße
      Bernd Slaghuis

      1. Ja, ich lese ganz gerne diese tollen „Tipps“. Manchmal bin ich hinterher erschüttert darüber, was manche doch so im Netz als vermeintliche einzig gültige Weisheit veröffnetlichen, nur um sichtbar zu sein.

        Mit Ihren Aussagen stehen wir beide auf der gleichen Linie.
        Ehrlich und authentisch muss ich im Bewerbungsgespräch auf mein Gegenüber wirken. Nur dann macht es einen Sinn. Ich will keine Stelle annehmen, um diese dann gleich wieder zu verlieren. Und das würde automatisch erfolgen, wenn die andere Seite feststellt, dass sie was vorgespielt bekommen hat.
        Abgesehen davon kann ich als Bewerber auch nur dann einen Eindruck von dem bekommen, was mich im neuen Unternehmen erwartet.
        Ich würde mich jedenfalls für kein Unternehmen verbiegen. Das hällt keiner lange durch (ich zumindest nicht).

        Was nun die speziellen Frage für die Bewerberinnen angeht, da kann ich nicht viel zu sagen. Nur soviel, ich erfasse eigentlich sehr gut die Gesamtausstrahlung von Personen und merke recht schnell, wenn da was nicht richtig ist. Somit, was jetzt das Aussehen angeht, immer so, dass sie sich wohl fühlt.

        Und irgendwann werden sicherlich auch Fragen auf die Herren zukommen, ob Mann wegen Kinderwunsch dann Erziehungsurlaub nehmen will oder nicht. Was Mann darauf dann antworten sollte, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Denn ich habe zwei Kinder und die wollten im ersten Lebensjahr eigentlich lieber ihre Mutter haben.
        Aber ggf. ändert sich das ja auch mal.

  2. Ich verstehe natürlich den Wunsch, einmal gegen den Strich gebürstete Bewerbungstipps zu geben mit dem – grundsätzlich richtigen – Tenor: Sei du selbst und führ ein gutes Gespräch auf Augenhöhe!

    ABER: Genau auf diesen Tenor lässt sich das Gesagte zusammenfassen – und man bleibt dennoch maximal desinformiert. Denn natürlich stammen die (ernstzunehmenden) Fragen aus eben dieser tiefen Verunsicherung der Bewerber und vermutlich auch aus negativen Erfahrungen, schon ein paar Mal abgeblitzt zu sein. Authentizität allein hat es also irgendwie nicht gebracht.

    Deshalb würde ich die Fragen nicht durch Ironie ins Lächerliche ziehen, sondern vielmehr hinter die Fassade blicken und damit auf den Wunsch eingehen, es künftig irgendwie besser zu machen – und vor allem ein paar handfeste Tipps zu bekommen, wie sich die eigenen Chancen steigern lassen. Dabei helfen empirische und statistische Erkenntnisse aus der Forschung natürlich schon.

    Klar wird keine Frau eingestellt, weil sie einen Pferdeschwanz trägt. Dahinter steckt allerdings der psychologische Effekt, dass etwa eine Frau, die zu weiblich (und zu sexy) wirkt eben oft auf diese Attribute reduziert wird – übrigens von Personalern genauso wie von Personalerinnen. Der veritabel erforschte HALO-Effekt lässt grüßen…

    Wer sich das bewusst macht und solches Hintergrundwissen bewusst nutzt, kann seine Chancen also durchaus steigern. Blödsinn ist das nicht. Es stirbt ja auch niemand unmittelbar davon, wenn man für das Bewerbungsfoto oder zum Vorstellungsgespräch kurzfristig die Haare zusammenbindet – außer vielleicht ein einsames Einhorn.

    1. Hallo Jochen,
      danke für Deine Sichtweise. Es liegt mir fern, diese oder andere Fragen von Bewerbern ins Lächerliche zu ziehen. Jede Frage hat seine Berechtigung, dennoch bin ich persönlich mitunter überrascht, welche Gedanken sich manche Bewerber machen. Ironie – und noch besser Provokation – ist nach meiner Erfahrung eine gute Möglichkeit, um Augen zu öffnen, wenn es denn aus einer wertschätzenden Haltung heraus erfolgt. Ich sehe und hoffe nicht, dass ich Bewerber im Beitrag angreife oder sogar verletze.
      Statistiken und psychologische Erklärungen gibt es reichlich und auch sehr viele und gute Beiträge zu den Hintergründen u.a. bei Euch in der Karrierebibel. Ich finde ja, es sollte nicht immer nur um handfeste Tipps, mundgerecht vorgekaute Lösungen und maximale Information gehen – ganz im Gegenteil. Denn so geht uns immer mehr Vermögen zur Selbstreflexion und Neugierde für eigene Lösungen verloren.
      Viele Grüße
      Bernd

      1. Hallo Jochen, hallo Bernd,

        ich betreue gerade eine Gruppe ALG II Empfänger und wir haben uns gerade die Fragen einmal vorgenommen…..
        GERADE die kursiv geschriebenen Antworten haben bei meinen TN Blockaden gelöst und sie positiv gestimmt.
        Ich begleite solche Eingliederungsmaßnahmen schon längere Zeit mit Menschen jeden Alters, mit GdB, ALG I und II und bin gerade sehr dankbar auf diese Seite aufmerksam gemacht worden zu sein.
        Ich übernehme diese Fragen bzw. Antworten in die Einzelcoachings und Workshops, wenn ich darf?!

        Viele Grüße
        Rainer

        1. Hallo Rainer,
          Danke für Ihr Feedback. Ich freue mich, wenn Sie mich zitieren oder auf den Beitrag hier hinweisen, wenn Sie meine Impulse in Ihren Workshops weitergeben.
          Viele Grüße
          Bernd Slaghuis

  3. Hi Bernd,
    wir sehen diese „kuriosen“ Bewerberfragen ja auch regelmäßig bei uns in den Kommentaren (im Blog oder auf Facebook), mehr noch in der Community „Karrierefragen“. Allerdings hab ich mal gelernt (und auch die Erfahrung gemacht): Ironie ist, wenn’s der Leser nicht versteht. Und so richtig ernst genommen fühlen sich die wenigsten dabei. Ich persönlich stelle lieber Rückfragen oder spiegele die Konsequenzen der jeweiligen Haltung (z.B. „Das würde also bedeuten, dass…“). Aber das ist eine andere Geschichte.

    Ich weiß, dass du niemanden ins Lächerliche ziehen willst, dafür kennen wir uns zu gut. Aber der Artikel wirkte eben so auf mich – und vielleicht auch auf andere, die dich nicht persönlich kennen. Und vielleicht geht es weniger darum, deren Sinnhaftigkeit durch Provokation zu offenbaren, als eben vielmehr Orientierung zu geben – eben weil da jemand ganz offenbar total verunsichert ist.

    Es gibt ja immer wieder (z.B. auf Xing) diese allwissenden Kommentatoren vom Typ „Da steht nichts Neues drin“, die damit nur anderen zeigen wollen, wie schlau sie schon sind. Eine sehr arrogante Haltung. Denn womöglich ist der Artikel ja gar nicht für die Schlauen, sondern für die, die das alles noch nicht wissen (weil sie es nie gelernt haben oder verunsichert sind). Deshalb ist z.B. die Frage, welche Hobbys (im Deutschen übrigens mit Y) zur Stelle passen, eine durchaus kluge Frage und keine zum Lachen. Schon aus zwei Gründen: Zum Einen, weil in den Lebenslauf an diesem Punkt möglichst nur (für die Stelle) relevante Informationen gehören (alles andere ist nur Leseballast für den Personaler). Zum Anderen, weil die Auswahl noch mal Kompetenzen (oder Soft Skills) unterstreichen kann, die einen für den Job qualifizieren.

    Natürlich ist das alles auch ein Plädoyer zur Selbstreflexion. Da bin ich ganz bei dir, die darf nie fehlen. Allerdings kann ich nach 10 Jahren Karrierebibel auch sagen: Nicht alle können (und wollen) das. Und vielleicht verirrt sich so jemand hierher, weil er oder sie ein „Bewerbungscoaching“ sucht (was du mit Sicherheit gut machst) – und stellt dann fest, dass seine Fragen zum Lachen sind…

  4. Danke für diesen Artikel! Ich finde es gut, dass es hier Personen gibt, die sich Gedanken darüber machen, wie ein Artikel ankommt.
    Gleichzeitig sehe ich es so, dass dieser Artikel auf herrlich erfrischende Art zum Nachdenken anregt. Wenn BewerberInnen nur noch überlegen, wie sie am besten zum Unternehmen passen, welcher Eindruck denn gewünscht wird, dann sind die Chancen sehr groß, dass sie am Ende unglücklich in ihrem Job sind. Ich habe einige CoachingklientInnen, die im Coachingprozess draufkommen, dass sie sich nie Gedanken gemacht haben, ob das Unternehmen denn auch zu ihnen passt.
    Und noch eine Anmerkung: Der Artikel verspricht ja nicht die 10 besten Bewerbungstipps oder so. Ich finde es gut gelöst mit einer etwas ironisch/humoristischen Bemerkung, die aufzeigt, wie paradox man manchmal schon denkt und darunter eine ernstnehmende Hilfestellung.
    Ich habe Ihren Blog heute das erste Mal entdeckt. Er gefällt mir sehr gut und werde auf jeden Fall bei Gelegenheit noch weiterschmökern! :)
    Liebe Grüße,
    Elisabeth

  5. Ich glaube daran, dass es keine Regeln und Normen gibt, die für jeden Gültigkeit besitzen. Es geht doch vielmehr um eine bewusste, innere Haltung. Erst wenn wir uns trauen, wir selbst zu sein, entdecken wir, was in uns steckt und wieviel Macht und Einfluss jeder einzelne von uns tatsächlich hat, um unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln. Daher ist es mein größtes Anliegen, Menschen Mut zu machen, sich von Regeln, Normen und Masken zu befreien und zur Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit einzuladen. Mitgestaltung statt Anpassung!

  6. Gerade solche Tipps führen dazu, dass Menschen eine Rolle spielen, Emotionen unterdrücken und jemanden darstellen, den sie gar nicht sind. Jeder Mensch hat feine Antennen. Arbeit ist wichtig um Verantwortung zu übernehmen, doch Arbeit ist auch etwas, wo die Liebe platz haben darf…. Jeder sieht das natürlich aus seiner eigenen Sicht…

  7. Für mich als baldigen „irgendwohin-Quereinsteiger“ ergibt dieser Artikel durchaus Sinn. In einem anderen(?) Beitrag von Ihnen habe ich das Plädoyer vernommen, eine Opferrolle zu vermeiden. In diesem Artikel vermute ich einerseits Verweise auf Opferhaltung in verschiedenen Details des Vorstellungsprozesses, aber einfach auch die Suche nach den besten Signalen, um sich gut darstellen zu können. Opfer vs. Flexibilität (NICHT „Charakterlosigkeit“). Das im Handstreich abzuwatschen ist aus meiner Sicht ein billiges argumentatives Manöver.
    Da der hoffentlich künftige Arbeitsalltag sich nicht anfühlen wird wie ein ständiges Bewerbungsgespräch, darf dieses durchaus auch für mich persönlich durchaus eine Ausnahmesituation sein, in der ich als Bewerber unsicher bin. Mir scheint, das Meta dieses Artikels ist ein ausführlicher, unterhaltsamer Verweis darauf. Bis ich die weiteren Kommentare gelesen habe hatte ich nicht den leisesten Gedanken daran, dass hier jemand lächerlich gemacht wird. Mir erschien es eher als eine Verbildlichung von Zusammenhängen. Wobei aber auf die verbindende Wurzel oder innere Quelle dieser Fragen tiefer hätte eingegangen werden können. Wirklich wertvoll war der Hinweis darauf, dass angeführte Hobbys und Interessen Softskills unterstreichen können, das war und ist für mich erhellend, weil Verständnis der Situation mir hilft, gerade und ausdrücklich innerhalb meines authentischen Raums zu bleiben. Vielen Dank!
    Und dass die Arbeitgeber durch das AGG ein Versteck haben um Feedback KOMPLETT wegzulassen, empfinde ich als entwürdigend und demütigend für den/die/x Bewerber:innen:den. Es wurde bereits von kulturellen Unterschieden der Arbeitsmärkte geschrieben, und hier fehlt m.E. durchaus einiges an menschenfreundlicher Kultur.

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