Corona-Krise: Aktuelle Tipps für Jobsuche und Bewerbung

In den letzten Tagen haben mich viele Mails mit Fragen rund um Jobsuche und Bewerbung in der Corona-Krise erreicht und ich habe hierzu auch einige Interviews mit der Presse geführt. Viele Bewerber empfinden hohe Unsicherheit und machen sich Sorgen. Macht es überhaupt Sinn, sich jetzt bei Arbeitgebern zu bewerben? Welche Auswirkungen wird die Krise auf den Arbeitsmarkt haben? Haben Unternehmen ihre Recruiting-Prozesse jetzt auf Eis gelegt und was mache ich, wenn ich eine interessante und schon ältere Stellenausschreibung im Netz entdecke? Finden aktuell noch Vorstellungsgespräche statt und was muss ich als Bewerber bei einer Videokonferenz beachten?

Viele Fragen, die Jobwechslern momentan verständlicherweise durch den Kopf gehen. Auch wenn ich kein Hellseher bin und zum heutigen Zeitpunkt selbst keinen blassen Schimmer habe, wie lange der aktuelle Zustand eines Kontaktverbots, die Schließung der nicht den täglichen Bedarf deckenden Geschäfte und die Zwangsversetzung vieler Mitarbeiter ins Homeoffice andauern werden, so möchte ich doch meine Wahrnehmung der Situation schildern und einige Impulse für Bewerber und Jobwechsler geben. Hier also meine Sichtweisen und Einschätzung zu den häufigsten Fragen rund um Jobwechsel und Bewerbung in der Corona-Krise, die mir in den letzten Wochen gestellt worden sind:

Macht es in der Corona-Krise Sinn, sich auf ausgeschriebene Stellen zu bewerben?

Grundsätzlich empfehle ich allen Bewerbern, die aktuell ohne Beschäftigung sind, weiter nach Stellen zu schauen und sich bei passenden Jobs auch darauf zu bewerben. Viele Arbeitgeber halten ihre Recruiting-Prozesse aufrecht oder haben diese auch vor der Krise bereits so sehr digitalisiert, dass die Bearbeitung eingehender Unterlagen ohne Probleme weiterhin möglich ist.

Werden gerade überhaupt noch neue Stellen ausgeschrieben?

Eine belastbare Statistik über die Entwicklung der in Stellenbörsen ausgeschriebenen Stellen in den letzten Wochen habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden. Eine interessane Analyse gibt es bei Wollmilchsau. Demnach listet die Jobbörse Stepstone aktuell 18 Prozent weniger Stellen als vor Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland. Bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit sind es 11 Prozent weniger – saisonale Schwankungen unberücksichtigt. Meine Vermutung ist, dass viele Arbeitgeber aktuell mit der Ausschreibung neuer Stellen abwarten und geschaltete Ausschreibungen nach dem Ende der Buchung in den Jobbörsen auslaufen.

Muss ich mich als Absolvent von meinem Wunscharbeitgeber verabschieden?

Wer als frischer Absolvent etwa mit dem Schwerpunkt Reise- und Touristik-Management bisher davon geträumt hat, seine Karriere bei Lufthansa, TUI & Co. zu starten, der wird es vermutlich in den nächsten Monaten oder sogar Jahren schwerer haben. Wer auf der anderen Seite IT-Experte für Cloud-Lösungen oder Videokonferenz-Tools ist oder im Gesundheitsmanagement unterwegs ist, der wird sich wahrscheinlich vor Angeboten nicht retten können. Als Absolventen oder Jobwechsler sollten Sie sich bewusst machen, welche Branchen und Arbeitgeber in welchem Ausmaß von der Krise betroffen sein werden – und wo auch Chancen sowie Zukunftspotenziale liegen.

Machen Sie sich bewusst, dass es ist nicht nur das Fach- oder spezifisches Branchenwissen ist, was bei einem Jobwechsel oder  dem Berufseinstieg zählt. Auch Ihr Erfahrungswissen sowie Ihre Persönlichkeit sind entscheidend. Wenn also „Ihre“ Branche aktuell und voraussichtlich auch in Zukunft von der Krise stark gebeutelt ist, dann überlegen Sie sich, welche andere Branchen und Arbeitgeber für welche Funktionen ebenso ein hohes Interesse an Ihrer Berufserfahrung und Ihren Soft-Skills haben.

Sollte ich in meiner Bewerbung Bezug zur Corona-Situation nehmen?

Ja, dort, wo es sinnvoll ist, können und sollten Sie Bezug etwa in Ihrem Anschreiben nehmen. Viele Anschreiben, die ich vor der Krise von Bewerben gelesen habe, erscheinen mir zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr echt und passend. Vielleicht können Sie ja sogar mit Ihren bisherigen Schwerpunkten oder Ihrem Wunsch für eine zukünftige neue Ausrichtung Bezug zur Corona-Krise und den Herausforderungen nehmen, vor denen viele Branchen und Arbeitgeber jetzt stehen werden.

Ich sehe in der aktuellen Zeit auch eine Chance darin, unkomplizierter und leichter auf Augenhöhe mit potenziellen Arbeitgebern und ihren Recruitern in Kontakt zu kommen. Also, warum sollten Sie dies als Bewerber nicht jetzt auch nutzen?

Ist es als fest Angestellter aktuell eine gute Idee, den Arbeitgeber zu wechseln?

Sind Sie noch in einem bestehenden Anstellungsverhältnis beschäftigt, spielen jedoch schon länger mit dem Gedanken, sich nach neuen Arbeitgebern und offenen Stellen umzusehen, spricht ja auch hierfür zunächst nichts dagegen. Neugierig nach Wechseloptionen zu schauen – sofern Sie hierfür momentan einen freien Kopf haben – ist ja noch keine Entscheidung, morgen Hals über Kopf den sicheren Job zu kündigen.

Ob dieser Schritt vor dem Hintergrund der aktuell hohen Unsicherheit im weltweiten Arbeitsmarkt und einer drohenden Rezession sinnvoll ist, das sollten Sie von Ihrer persönlichen Situation im aktuellen Job sowie auch der Situation in Ihrem privaten Umfeld abhängig machen. Es ist Ihre persönliche Entscheidung, ob ein freiwilliger Wechsel aktuell zu riskant ist oder ob Sie vielleicht sogar diese Krise als notwendigen Impuls für einen Wechsel oder Ihre Neuorientierung sehen.

Dauert es jetzt länger, bis ich einen neuen Job finde?

Auch wenn es in normalen Zeiten von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ist, wie lange Jobwechsler suchen, bis es zum neuen Arbeitsvertrag kommt, gehe ich aktuell doch davon aus, dass sowohl die Recruiting-Prozesse in einigen Unternehmen insbesondere bei kleinen und mittelständischen Arbeitgebern verzögert verlaufen sowie auch die Anzahl der ausgeschriebenen und offenen Stellen in den nächsten Monaten je nach Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens noch weiter abnehmen werden. Damit ist tendenziell davon auszugehen, dass auch die durchschnittliche Suchdauer bei einem Jobwechsel zunehmen wird.

Wie schlimm ist eine „Corona-Lücke“ im Lebenslauf?

Zunächst einmal ist klar, dass wir alle uns auch in einigen Jahren noch an diese Zeit erinnern werden. Wer jetzt seinen Job verliert oder als Bewerber länger sucht, der sollte sich über die „Corona-Lücke“ keinen Kopf machen. Meine Erfahrung ist generell, dass Bewerber oftmals ein größeres Problem mit Lücken in ihren Lebensläufen haben, als Recruiter. Wer als Arbeitnehmer selbst mit seinem Lebenslauf – als Lauf seines Lebens – im Reinen ist, der kann auch im Vorstellungsgespräch entspannt darüber sprechen.

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Sollte ich im Unternehmen anrufen, wenn die Stellenausschreibung schon älter ist?

Auch hier ist mein Tipp unabhängig von der Corona-Krise, dass Bewerber nur dann vorher mit einem Arbeitgeber telefonisch oder per Mail Kontakt aufnehmen sollten, wenn es einen echten Grund oder konkrete für die eigene Entscheidung als Bewerber wichtige Fragen gibt. Mit „Sagen Sie mal, ist die ausgeschriebene Stelle noch offen?“ nerven Sie einen Personaler womöglich mehr, als die Antwort wirklich nützlich ist.

Solange eine Stelle ausgeschrieben ist, sollten Sie sich darauf bewerben. Natürlich kann es sein, dass aktuell noch ausgeschriebene Stellen aus wirtschaftlichen oder Gründen der Reorganisation nun doch nicht mehr besetzt werden oder ein HR-Mitarbeiter im Homeoffice im Trubel des Tagesgeschäfts vergessen hat, eine Anzeige aus den Jobbörsen heraus zu nehmen, doch auch dies rechtfertigt aus meiner Sicht keinen Anruf beim Personaler vorab.

Sollte ich nachfragen, wenn ich keine Eingangsbestätigung erhalten habe?

Haben Sie Ihre Unterlagen über ein Online-Bewerbungsportal eines Arbeitgebers hochgeladen, dann erhalten Sie in der Regel automatisiert die Bestätigung, dass Ihre Daten übertragen wurden – und das sollte in diesen Zeiten auch weiterhin funktionieren. Haben Sie Ihre Bewerbung per Mail verschickt und erhalten innerhalb einer Woche keine Rückmeldung, dann fragen Sie beim Empfänger nach – entweder nochmals per Mail oder auch telefonisch. Erkundigen Sie sich, ob Ihre Bewerbung eingegangen ist und was die nächsten Schritte im Bewerbungsprozess sein werden.

Was muss ich bei einem Vorstellungsgespräch als Videocall beachten?

Die meisten Bewerbungsgespräche dürften momentan als Videokonferenz oder telefonisch geführt werden. Grundsätzlich sollten Sie sich inhaltlich darauf vorbereiten, wie Sie es auch für ein Gespräch vor Ort im Unternehmen tun würden. Meine Tipps zur Vorbereitung finden Sie hier.

Für die Videokonferenz sollten Sie im Vorfeld Ihre Technik einrichten und prüfen. Wo in Ihrer Wohnung sind Sie ungestört und wo gibt es gute Lichtverhältnisse? Prüfen Sie das Kamerabild und achten Sie auch darauf, wie es hinter Ihnen im Raum aussieht. Testen Sie, welches Mikrofon und welche Lautsprecher oder Kopfhörer gut geeignet sind, so dass es zu möglichst keinen Rückkopplungen kommt. Vielleicht haben Sie ja auch die Möglichkeit, Ihre Technik in einem Skype-, Zoom- oder Facetime-Call mit Partnern oder Freunden vorher zu testen.

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Ich trete demnächst eine neue Stelle an und mache mir Sorgen, ob das klappt. Was kann ich tun?

Ich bin kein Jurist und möchte daher keine Aussagen darüber treffen, welche Möglichkeiten Arbeitgeber (und auch Arbeitnehmer) grundsätzlich und insbesondere jetzt in der Krise besitzen, geschlossene Arbeitsverträge vor Beginn der Laufzeit zu kündigen. Ich verstehe die Sorgen all jener Jobwechsler, deren Start in den nächsten Wochen bevorsteht.

Mein Tipp: Erkundigen Sie sich bei Ihrem neuen Arbeitgeber, in welcher Form das Onboarding und die Einarbeitung geplant sind. Werden Sie zunächst im Homeoffice bleiben? Werden Sie vor dem Start bereits mit Laptop, Handy & Co. ausgestattet? Welche Termine sind bereits geplant, in denen Sie sich als neuer Mitarbeiter und Kollege vorstellen können oder ein erstes Gespräch mit Ihrer Führungskraft führen? Schaffen Sie mit Ihrem neuen Arbeitgeber die nötige Klarheit, die Sie als Mitarbeiter jetzt benötigen.

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Mir fehlt momentan die Kraft, mich weiter zu bewerben. Darf ich eine Pause einlegen?

„Bewerben ist ein Vollzeit-Job“, habe ich mal in einem anderen Beitrag geschrieben. Dass es vielen Jobwechslern aktuell und insbesondere im Homeoffice mit der Familie zwangsversetzt unter einem Dach schwerfällt, sich auf ihre Bewerbungsphase zu fokussieren, kann ich gut verstehen und nachvollziehen. In einem Beitrag auf XING habe ich zu mehr Selbstfürsorge aufgerufen, denn das ist es aus meiner Sicht, worauf wir in diesen Wochen für uns und unser privates Umfeld achten sollten.

Entscheiden Sie sich, Ihre Bewerbungsaktivitäten erst einmal auf Eis zu legen, dann tun Sie dies ganz bewusst – und damit ohne schlechtes Gewissen. Überlegen Sie sich am besten auch, was für Sie aus heutiger Sicht ein guter Zeitpunkt sein wird, um wieder in die aktive Bewerbungsphase einzusteigen. Vielleicht ist diese Zeit aber auch für Sie eine gute Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen und über ihre berufliche Situation sowie Zukunft nachzudenken.

Nehmen Sie sich die Freiheiten, die Sie besitzen und hören Sie auf das, was Sie jetzt brauchen – und bleiben Sie gesund! 

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Dr. Bernd Slaghuis

Ich arbeite als Karriereberater & Bewerbungscoach und habe mich auf Themen rund um die Karriereplanung und berufliche Neuorientierung spezialisiert. Seit 2011 habe ich über 2.000 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf sowie im Bewerbungsprozess begleitet - über alle Hierarchieebenen und Branchen hinweg - Online oder in meinem Kölner Büro. Meine Erfahrungen teile ich hier im Blog, in meiner SPIEGEL-Kolumne sowie als XING Insider und LinkedIn Top-Voice.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Hallo Bernd,
    Deine Tipps und Vermutungen kann ich nur bestätigen. In der momentanen Situation ist der Bewerbungsprozess deutlich verlangsamt. Es sind zum Teil auch Stellenanzeigen wieder zurückgenommen worden.
    Ich habe die Zeit der Krise genutzt, um mich beruflich neu zu orientieren. Auch wenn es nicht jedem leicht fällt, sollte man die Bewerbungsphase als fulltime Job annehmen.

    Mein Motto „Es ist wie es ist. Aber es wird, was Du daraus machst.“

    In dem Sinne. Bleib gesund.
    Liebe Grüße Dirk

  2. Hallo Herr Slaghuis,

    ich bin zurzeit im Mini-Familienunternehmen beschäftigt und in Kurzarbeit. Momentan arbeiten wir daran, dass die Umsätze wieder steigen (nicht so einfach mit Altbaurenovierung und Kind ohne Kita), müssen uns aber zwangsweise durch die Corona-Umsatzkrise mit einem „Plan B“ für jeden auseinandersetzen.

    In der Technischen Dokumentation und ggf. auch im technisch orientierten Mediensektor stehen meine Chancen auf einen neuen (und höher bezahlten) Job theoretisch gar nicht schlecht. Auch wenn ich dann natürlich samstags und sonntags auf dem Bau durcharbeiten müsste, um die Zeit dort wieder aufzuholen. Im Fall, dass ich mich nach einer Weile für einen Kurswechsel entscheide, ist Bewerben überhaupt realistisch, wenn die Betreuung für eine Dreijährige dank Kitaschließung derzeit nicht gesichert ist? Ein „Endpunkt“ der Kitaschließung bzw. des Betretungsverbots steht ja noch nicht fest. Und wie „verpacke“ ich diesen unglücklichen Umstand am besten in einer Bewerbung?

    Viele Grüße
    Cat

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